Raumschiff 3 - Tia
Lebewesen in der Lage waren – schließlich war er der Hauptaufseher einer der größten
Krankenhausstationen im Zentralsystem. Wenn es überhaupt einen Ort für Dramen gab, in denen es um Leben und Tod
ging, so war es das Hospital – wie die Holomacher in der ganzen Galaxie nur zu gut wußten. Vom kleinsten Vorfall bis zum ernstesten war Lars zum Zeugen, manchmal aber auch
zum Beteiligten geworden.
Er leitete die Stolz von Albion bereits seit ihrer Erbauung.
Man hatte ihn in die Station selbst eingebaut. Er würde sie niemals verlassen und das auch nie wollen. Zynisch, brillant –
und von unerwartet gütigem Herzen. Das war Lars…
Er konnte die sanfteste Person sein, der Tia je begegnet war.
Dennoch ließ er keine Gelegenheit aus, seinen Kollegen mit seinem scharfsinnigen Witz zuzusetzen.
»Aber Kenny…« Sie zögerte, unsicher, wie weit sie gehen durfte. »Kenny, wie neugierig darf ich jetzt sein, was dich und Anna betrifft?«
»Tia, ich weiß alles, was es über dich zu wissen gibt, von deinem normalen Herzrhythmus bis zur genauen
Zusammensetzung der Chemikalien in deinem Blut, wenn du unter Streß stehst. Mein Arzt weiß das gleiche über mich. Wir sind es beide gewöhnt, daß man in uns herumstochert…« Er machte eine Pause. »… und du bist mir eine sehr, sehr liebe Freundin. Wenn es irgend etwas gibt, was dich neugierig macht, dann frag nur.« Seine Augen funkelten. »Aber erwarte nicht von mir, daß ich dir erzähle, wie es bei den Bienen zugeht.«
»Du bist… als wir uns kennenlernten, hast du dich einen
›Arzt auf der Halbschale‹ genannt. Du bist eine halbe
Maschine. Wie… empfindet Anna das?« Wenn Tia hätte
erröten können, sie hätte es getan, so indiskret fühlte sie sich.
Doch Kenny schien das nicht so zu sehen. »Gute Frage. Die Antwort, meine Liebe, ist allerdings etwas, das auf dich nicht zutreffen kann. Wenn ich nicht gerade an meinen Stuhl
geschnallt bin, bin ich ein zwar unvollkommenes, aber durch und durch menschliches Wesen.« Er lächelte.
»Das wäre also so, als würde man Steine mit Bonbons
vergleichen.« Damit hatte sie nicht gerechnet. »Oder Wasser mit Walzmetall.«
»Gute Vergleiche. Du bist übrigens nicht die erste, die mir diese Frage stellt. Also brauchst du auch deine Neugier nicht für einzigartig zu halten.« Er streckte sich und grinste. »Anna und ich verbringen eine Menge Zeit mit… Partnerberatung meiner anderen behinderten Patienten.«
»Wenigstens bin ich keine Art… Voyeur.«
»Du sitzt allerdings auch in einem völlig anderen Boot als meine anderen Patienten«, ermahnte er sie. »Was für sie gilt, gilt noch nicht unbedingt für dich.« Er schüttelte den Kopf.
»Ich will es dir offen sagen. Du hast vom Hals abwärts keine funktionsfähigen Nerven, keine sensorische oder motorische Kontrolle. Und nach allem, was ich gesehen habe, war dein willkürliches Nervensystem ohnehin schon angeschlagen,
bevor wir dich stabilisierten. Nach den Modifikationen, die man an dir durchführte, als du in die Schale kamst, bist du jetzt abhängig von lebenserhaltenden Systemen. Ich glaube nicht, daß du außerhalb der Schale würdest überleben können. Und ich weiß mit Sicherheit, daß du da nicht glücklich wärst.«
»Oh. Also gut.« In gewisser Weise war sie zugleich
enttäuscht und erleichtert. Erleichtert darüber, daß sie sich in ihrer gegenwärtigen Partnerschaft über diesen Faktor keinen Gedanken zu machen brauchte. Enttäuscht – nein eigentlich nicht sehr. Sie hatte eigentlich nicht wirklich geglaubt, daß es eine Möglichkeit gab, den Weg umzukehren, der sie in diese Säule geführt hatte.
»Ich habe einige Berichte über die Dinge mitgebracht, an denen ich gearbeitet habe, um sie dir zu zeigen – Hilfsmittel für einige unserer unfreiwillig Amputierten. Ich dachte, es könnte dich interessieren, rein akademisch natürlich.« Kenny schob ein Dataeder in ihr Lesegerät, und Tia holte das Display auf den Schirm. »Diese junge Dame war Berufstänzerin – bei einem Erdbeben wurde sie tonnenweise von Mauerwerk
verschüttet. Als die Ärzte und Sanitäter sie erreichten, war das ganze Bein bereits abgestorben. Es war nicht mehr zu retten.«
Der Videoteil der Aufnahme zeigte eine schöne junge Frau in Trikot und Strumpfhosen, die gerade etwas ausprobierte, das wie ein normales Bein aussah – nur daß es sich sehr steif bewegte.
»Das Problem bei den künstlichen Gliedmaßen, die wir
Amputierten gegeben haben, besteht darin, daß wir
Weitere Kostenlose Bücher