Raumschiff 3 - Tia
etwas schiefging, dann meistens zu diesem Zeitpunkt. Die Mannschaft hatte dann bereits mehrere Wochen unter beengten Verhältnissen beim Anflug hinter sich, um interpersönliche Beziehungen zu entwickeln. Das waren ideale Bedingungen für Kabinenkoller. Ideale Bedingungen dafür, daß Streß ans Tageslicht trat, der zu schweren
interpersönlichen Problemen führen könnte.
Daher besagten die Vorschriften, daß der Kurier, ob es sich nun um ein Gehirnschiff-Team oder um eine volle Mannschaft handelte, irgendeinen Vorwand finden sollte, um noch mehrere Tage zu bleiben, die Ausgrabungsstätte vom Schiff aus zu überwachen. Dabei sollte man Ausschau nach offensichtlichen Persönlichkeitskonflikten und neuen Verhaltensstörungen halten, die drohten, sich von einer ›Störung‹ zu einer
›Psychose‹ zu entwickeln. Sie sollten sicherstellen, daß es nichts gab, was irgendwann zu einem mitternächtlichen
Mordanschlag mit einer Axt führte. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, daß jemand unter Streß durchdrehte.
Alex machte sich die größten Sorgen um Les, murmelte
etwas von post-traumatischen Syndromen und der Labilität von Kriegsveteranen. Tia hatte ihre eigenen Sorgenkandidaten für den Fall, daß es tatsächlich Ärger geben sollte – entweder Fred oder Aldon, denn keiner von beiden war jemals auf einer kleinen Ausgrabungsstätte gewesen. Trotz seines
unangenehmen Betragens ihr gegenüber war Haakon-Fritz
dagegen brillant und fähig, und er hatte schon einige
Ausgrabungen ohne jede Schwierigkeit absolviert. Und nun, da sie alle vor Ort waren, hielt er zwar auf Distanz, war aber auch voll kooperationsbereit. Es gab keinen Hinweis darauf, daß er seinen fanatischen Glauben in sein berufliches Leben
überführen würde. Fred und Aldon waren bisher nur
Mitglieder einer Ausgrabungsmannschaft von mehreren
hundert Seelen gewesen – dort hatte es also mehr Leute gegeben, mit denen sie hatten interagieren können, eine geringere Wahrscheinlichkeit für Persönlichkeitsstreß und keine echte Herausforderung außer der monotonen Langeweile der Alltagsarbeit.
Die ersten paar Tage schien alles hervorragend zu laufen. Tia und Alex atmeten beide erleichtert auf.
Viel zu früh.
Denn in dieser Nacht begann der Winterregen.
Tia war einige Dateien durchgegangen, die sie auf der Basis kopiert hatte, suchte nach weiteren potentiellen
Anlagemöglichkeiten wie Largo Draconis. Es war spät, sehr spät sogar schon – die Ausgrabungsstätte war ruhig und dunkel, und Alex hatte sich hingelegt. Er war in seiner Kabine, und Tia überlegte, ob sie abschalten sollte, um ihre
vorgeschriebenen drei Stunden Tief schlaf zu absolvieren – als der Sturm losschlug.
›Losschlug‹ war eine treffende Bezeichnung, denn plötzlich prallte eine Wand aus Wind und Regen gegen ihre Außenhaut, kräftig genug, um sie für einen Augenblick durchzuschütteln, gefolgt von Blitzen und einem Donner, der Alex aus der Koje fallen ließ.
»He!« schrie er und erwachte aus dem Schlaf. »Wie? Was?«
Er schüttelte den Kopf, als schon das nächste Donnergrollen Tias Wände vibrieren ließ. »Was geht hier vor?« fragte er, während sich Tia Landedornen in den Boden bohrte, um ihre Position zu stabilisieren. »Werden wir angegriffen?«
»Nein, es ist ein Sturm, Alex«, erwiderte sie zerstreut und überzeugte sich davon, daß alles abgeschlossen war und sich ihre Servoroboter an Bord befanden. »Ein unglaubliches
Gewitter. So etwas habe ich noch nie erlebt!«
Sie schaltete ihre Außenkameras ein und speiste ihr Bild auf die Schirme, damit sie zusehen konnte, während sie sicherging, daß sie gegen die Blitze isoliert war und daß auf der
Ausgrabungsstätte alles zum Besten stand. Alex kam in die Hauptkabine geschlendert und nahm in seinem Sessel Platz, sprachlos musterte er das Schauspiel nackter Naturgewalt, das um sie herum stattfand.
Blitze umzuckten sie auf allen Seiten. Ständig grollte Donner, heulte der Wind, prasselten Regentropfen und machten dabei jeden Versuch zunichte, die Ausgrabungsstätte visuell zu beobachten oder irgendwelche anderen Überprüfungen
auszuführen. Bei so vielen Blitzen hatte es nicht einmal Zweck, einen Funkruf zu versuchen.
»Wie steht es unten bei der Ausgrabung?« fragte Alex
besorgt.
»Das läßt sich nicht sagen«, erwiderte Tia zögernd. »Die Erkundungsmannschaft hat diese Regenfälle bereits einmal überstanden, deshalb vermute ich, daß die Ausgrabungsstelle selbst wohl kaum davongespült
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