Raumschiff 3 - Tia
Darwinist?«
fragte er. »Hätte vielleicht irgend jemand einmal die Güte, einem verwunderten jungen Vegetarier zu erklären, was das genau sein könnte und weshalb er so unhöflich zu der Dame Tia war?«
Seufzend nahm Les den Handschuh auf. »Ein Praktischer
Darwinist ist jemand, der daran glaubt, daß Darwins Gesetz für alles gilt. Wenn jemand einen Unfall hat, sollte man ihm nicht helfen, wenn eine Stadt von einem Erdbeben dem Boden
gleichgemacht wird, sollte man keine Hilfe hinschicken, wenn eine Seuche ausbricht, sollten nur die Gesunden geimpft werden. Die Opfer sollten isoliert werden und es überleben oder auch nicht, wie es eben kommt.«
Freds beunruhigter Blick auf ihre Säule bewegte Tia dazu, Les die Peinlichkeit zu ersparen, das Offensichtliche
auszusprechen. »Und wie Sie zweifellos erraten haben,
empfindet der fanatische Darwinist die Existenz von
Hüllenmenschen als entsetzlich abstoßend. Wenn er die Wahl hätte, würde er nicht einmal zugeben, daß wir existieren.«
Professor Aspen schüttelte traurig den Kopf. »Ein brillanter Wissenschaftler, aber vom Fanatismus tragisch geblendet«, sagte er, als er wieder Platz nahm. »Deswegen wird er auch nicht mehr weiterkommen. Er hatte seine Chance – man hat ihm die alleinige Leitung einer Erkundungsausgrabung
übergeben, doch er hat sich geweigert, irgendwelches
Beweismaterial gelten zu lassen, das nicht auf seiner
persönlichen Parteilinie lag. Nun bleibt ihm nichts mehr als der Posten eines Verwaltungschefs bei Ausgrabungen wie
unserer.« Er warf einen nüchternen Blick in die Gesichter seiner vier Studenten. »Lassen Sie sich das eine Lehre sein, meine Wesen. Lassen Sie sich niemals vom Fanatismus
verblenden, bis Sie die Wahrheit nicht mehr erkennen.«
»Mit anderen Worten«, warf Tia fröhlich ein, »das Problem des Fanatikers besteht darin, daß sich sein Gehirn in Tofu verwandelt und er nichts mehr als Wahrheit akzeptieren kann, was nicht seinen vorgegebenen Ideen entspricht. Gefährlich werden diese Leute nicht etwa dadurch, daß sie bereit wären, für den Beweis ihrer Wahrheit zu sterben, sondern daß sie Sie sterben lassen würden, um sie zu beweisen.«
»Gut formuliert, meine Dame.« Doktor Aspen richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Schirm. »Da ich nun aus
früheren Erfahrungen weiß, daß Haakon-Fritz bis zum Start schmollend in seiner Kabine zubringen wird – wollen wir unsere Diskussion fortsetzen?«
Der Erkundungstrupp hatte die Ausgrabungsstätte in einem guten Zustand zurückgelassen: Das Gerät war verstaut, die Kuppeln aufgepumpt, aber versiegelt, die offenen Gräben abgedeckt, um sie zu schützen. Die Bestimmungsmannschaft errichtete zudem in kurzer Zeit zwei neue Wohnkuppeln und eine zweite Laborkuppel, um sich dann an die Arbeit zu
machen.
Alles schien unter Kontrolle zu sein. Jetzt, da sich die Mannschaft vor Ort befand, fügte sich selbst der mürrische Haakon-Fritz ein und übernahm seinen Teil der Pflichten. So gab es eigentlich keinen Grund, weshalb AH Eins-Null-Drei-Drei noch länger auf dem Planeten verbleiben sollte, wenn sie doch in dieser Zeit ebensogut die Rundreise zu ›ihren‹
regulären Ausgrabungsstätten hätten absolvieren können.
Aber die Vorschriften sahen etwas anderes vor, und sowohl Tia als auch Alex wußten, warum, auch wenn es die
Mannschaftsmitglieder nicht taten. Die Vorschriften eines dem Institut zugewiesenen KD-Schiffs enthielten einen sorgfältig verborgenen zweiten Zusatz, der für den Fall galt, daß ein Schiff ein neues Erkundungs-oder Auswertungsteam absetzte.
Archäologische Mannschaften wurden mit großer Sorgfalt
ausgewählt; nicht nur wegen der stark begrenzten
Mannschaftsstärke, sondern auch wegen ihrer Isoliertheit. Sie waren einer ganzen Reihe von Gefahren ausgesetzt – all jenen, die Tia Alex bei ihrer ersten Mission aufgelistet hatte. Da wäre es unklug gewesen, sie auch noch Gefahren von innen
bestehen zu lassen.
So unterzog man die möglichen Mitglieder einer
vorgesehenen Mannschaft gründlichster Untersuchungen und psychologischen Analysen, was ihre individuelle und
interaktive Stabilität anging. Doch konnte es auch dabei zu Fehleinschätzungen kommen. Manchmal führten solche
Fehleinschätzungen bis zum Mord oder wenigstens zum
Mordversuch.
Wenn es zu psychologischen Problemen kam, geschah das
meistens gleich zu Anfang der Feldarbeit, nachdem die erste Eingewöhnungsphase vorbei war und der Alltag begann. Wenn in dieser Hinsicht
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