Raumschiff 4 - Channa
Ausdruck der Verärgerung überzog ihr Gesicht. »Nicht nur mir. Das ist schon sehr vielen Leuten passiert.«
Erwartungsvoll und geduldig blieb er stumm.
Mit resigniertem Seufzen fuhr sie fort. »Es war ein
Wirtschaftsprofessor, ausgerechnet! Ich bin auf ihn geflogen wie eine junge Schwalbe. Und das komischste daran war, ich habe ihn nie gemocht. Ganz im Gegenteil. Sicher, er war durchaus attraktiv, aber er war auch sarkastisch und faul und ätzend – pfui! Zu mir zwar nie, aber es störte mich
mitanzusehen, wie er es mit anderen Studenten tat. Eines Tages saß ich da und blickte zu ihm auf und sagte mir: Ich liebe ihn .« Sie riß die Augen auf und warf die gespreizten Hände auseinander, um sie schließlich wieder hilflos aufs Bett fallen zu lassen.
»Also liebst du… Simeon-Arnos?«
»Nein! Natürlich nicht! Ich habe gesagt, daß ich meinen Professor geliebt habe, nicht Simeon-Arnos. Das sind zwei verschiedene Fälle.« Sie begann zu lachen. »Inzwischen bin ich etwas älter und klüger geworden, Simeon-Einfach.«
»Solange du nicht trauriger geworden bist, meine Liebe.«
Sie kicherte. »Nein, nicht trauriger.«
»Natürlich werdet ihr beide eine gewisse Zeit brauchen, um euch aneinander zu gewöhnen«, sagte er ernst, »aber er möchte wirklich gern helfen. Und dabei wird er ziemlich beschäftigt sein. Das dürfte eine ganze Menge dominierender Neigungen bremsen, die er haben mag. Laß ihm ein bißchen Spielraum, Channa. Er ist das Opfer einer Inzuchtkultur. Und außerdem schweben wir alle in Lebensgefahr.«
»Sag das mal dem Unterbewußtsein – das interpretiert
Todesdrohungen als Grund, sich noch mehr für etwas zu
interessieren. Ich wünschte, diese Krise wäre nicht so drängend.« Wieder seufzte sie, diesmal matter. »Vielleicht sind die ja gar nicht da draußen. Vielleicht haben sie es aufgegeben und sind nach Safran zurückgekehrt, nach Bethel. Dann
brauchen wir nur eine Meldung abzusetzen, während die Flotte an uns vorbeitreibt.«
»Ich würde lieber nicht darauf wetten, Baby.«
»Ich werde langsam weich«, bemerkte sie. »Ich habe
zugelassen, daß du mich ›Liebste‹ und ›Baby‹ nennst, nicht wahr?«
»Ja. Ich mache mir eine Strichliste. Vielleicht magst du mich ja?«
»Ich würde nicht darauf bauen«, erwiderte sie grinsend.
»Gute Nacht, Simeon.«
»Nacht, Channa.«
»O Gott, nicht noch eine Konferenz«, murmelte Channa bei sich. Mit einer Hand hielt sie den Notizschirm, mit der anderen einen Becher Kaffee. Heiß wie die Hölle, schwarz wie der Tod, süß wie die Liebe: ganz und gar nicht so, wie sie normalerweise ihr Koffein zu sich nahm, aber doch die richtige Dosis, um einen nach einer Nacht mit zu wenig Schlaf
wachzurütteln.
»Wozu Konferenzen?« fuhr sie bei sich selbst fort, während sie in den Lift am Ende des Korridors taumelte. »Warum kann ich nicht einfach nur Aktennotizen herumschicken?«
»Guten Morgen, Honigtöpfchen«, sagte Patsys Stimme.
Channa zuckte so heftig zusammen, als sie die beiden
anderen im Lift bemerkte, daß sie beinahe den heißen Kaffee über ihre Hand vergossen hätte. Gus legte eine stützende Hand an ihren Ellenbogen.
»Wozu Konferenzen?« wiederholte Gus. »Weil es Zivilisten sind. Sie sind es nicht gewohnt, mit einem militärischen Notfall zurechtzukommen. Man muß ihnen die Informationen immer und immer wieder erzählen, bis sie ihnen wirklich erscheinen.«
Zischend bremste der Lift. »Mir braucht man es
glücklicherweise nicht so oft zu sagen, deshalb kann ich mich auch gleich an die Arbeit machen«, fügte Gus hinzu. »Meine Damen, wir sehen uns.«
Channa sah zu Patsy hinüber. Die ältere Frau lehnte in der gepolsterten Ecke des Lifts, die Augen geschlossen und ein verträumtes Lächeln auf den Lippen. »Patsy?«
Zögernd öffnete sich ein Auge, und ein liebliches Lächeln hellte ihre Miene auf, als sie sich wohlig streckte. »Ja?«
»Sie sehen fast so erschöpft aus wie ich. Bekommen Sie etwa nicht genug Schlaf?«
Patsys Augen weiteten sich, und sie ließ melodramatisch die Brauen hochfahren. »Nicht viel«, sagte sie mit einiger Begeisterung. »Es sei denn, man verwendet ›schlafen‹ im euphemistischen Sinne.«
»Aha. Gus?«
»Con mucho Gusto!« Patsy kicherte. »Hab davon gelesen.
Leute in der Krise, die kommen einfach zusammen, wissen Sie? Fragen Sie Simeon danach. Er wird es Ihnen erzählen.«
»Ich werde mich hüten, Simeon in Privatangelegenheiten zu konsultieren. Ich hege den Verdacht, daß ihn das Thema
Weitere Kostenlose Bücher