Raumschiff 5 - Carialle
fröhliches Gesicht und die volle Stimme sprachen Carialle sofort an. Keff schien unentwegt in Bewegung zu sein.
Amüsiert verfolgte sie ihn, als er die Kabine erkundete und zu jeder bewunderungswürdigen Einzelheit seinen Kommentar abgab. Sie unterhielten sich über ihre Hobbys. Als er darauf bestand, seinen eigenen Trainingsraum mitzubringen, verfielen sie in einen albernen Streit über die Besessenheit der Weichschalen, was ihre körperliche Fitneß betraf. Anstatt jedoch wütend darüber zu werden, daß Keff ihre Souveränität auf ihrem eigenen Deck nicht anzuerkennen bereit war, ertappte Carialle sich dabei, wie sie lachte.
Doch selbst wenn Keff ein Argument durchzusetzen
versuchte, blieb sein Verhalten durchaus gewinnend, und er war stets bereit, Carialle zuzuhören. So informierte sie die CenCom von ihrer Einwilligung, mit Keff einen Gehirn-Muskel-Vertrag einzugehen. Keff zog sofort an Bord ein, und mit ihm der Zankapfel seiner Gerätschaft.
Es war Carialle gleichgültig, in welchem Ausmaß CenCom die Angelegenheit manipuliert hatte. Schließlich verkuppelte die CenCom schon seit langer Zeit Muskel mit Gehirnen, so daß man dort inzwischen einige Erfahrung gesammelt haben dürfte. Keff und Carialle ergänzten einander auf vielen Gebieten. Sie hatten die gleiche Triebkraft, die gleiche Hoffnung und verfügten auch über die gleiche Intelligenz.
Schon während des Vorstellungsgesprächs war es Keff
gelungen, in Carialle jenen Humor wiederzuerwecken, dessen Neubelebung sie für äußerst unwahrscheinlich gehalten hatte.
Schon nach wenigen Tagen, als beide noch immer auf ihren ersten Auftrag warteten, erschien es Carialle, als hätte sie nie einen anderen Partner als Keff gehabt. Wenn er davon sprach, daß sie fast ihre gesamte Zeit miteinander verbringen würden, galt das für Carialle gleich doppelt. Zwar verfolgte jeder von ihnen auch seine privaten Gedanken und Interessen, doch taten sie ihr Bestes, um stets zusammenzuarbeiten. So erschien ihr Keff wie die ergänzende Hälfte ihrer eigenen Seele.
Trotz ihres jüngsten Traumas war Carialle eine sehr gut angepaßte Schalenperson, wie schon ihre Genesung bewiesen hatte. Sie war stolz auf ihre überragenden Fähigkeiten, die es ihr ermöglichten, zahlreiche Tätigkeiten gleichzeitig zu bewältigen. Für schalenlose Menschen empfand sie Bedauern.
Die erweiterten Funktionen, die jeder Schalenperson zur Verfügung standen, ganz besonders aber einem Gehirnschiff, lagen ja so weit jenseits aller Perspektiven normalen Menschen! Sie betrachtete es als Glück, unter Umständen zur Welt gekommen zu sein, die zu ihrer Verschalung geführt hatten.
Jahrhunderte zuvor hatten Wissenschaftler sich darum bemüht, Möglichkeiten zu entwickeln, Kinder zu
rehabilitieren, die zwar von normaler Intelligenz waren, deren physische Körper aber lebensuntauglich und nutzlos blieben.
Durch Verbindung der Gehirnsynapsen mit speziellen
Vernetzungspunkten konnte ein intelligentes Kind eine Schale mit ausfahrbaren Pseudopodien manipulieren, was es ihm gestattete; sich umherzubewegen, Werkzeuge zu gebrauchen oder an Tastaturen zu arbeiten. Die Weiterführung dieses Grundprinzips brachte die ersten Raumschiffe hervor, die ausschließlich von verschalten Menschen gesteuert wurden.
Andere ›Schalenmenschen‹, die für Multiplextätigkeiten ausgebildet worden waren, leiteten komplizierte
Industrieanlagen, Raumstationen oder Städte. Sobald ein Säugling für eine Karriere als Schalenperson angenommen wurde, wurde er auch darauf konditioniert, dieses Leben dem der Weichschalen mit ihren so eng begrenzten Fähigkeiten und Lebensspannen vorzuziehen.
Eines der berühmtesten Gehirnschiffe, die HN-832 oder Helva-Niall, hatte den Spitznamen ›das Schiff, das singt‹
erhalten, nachdem es sich dem Hobby zugewendet hatte, Mehrstimmigkeit zu entwickeln. Obwohl Helva nur selten in der engeren Umgebung CenComs andockte, waren die
Abenteuer doch allen jungen Schalenmenschen eine
Inspiration. Carialle war zwar zutiefst enttäuscht gewesen, als sie feststellen mußte, daß sie selbst über ein allenfalls mittelmäßiges musikalisches Talent verfügte; doch immerhin hatte man sie dazu ermuntert, sich ein anderes schöpferisches Ventil zu suchen. Es hatte erst einer Katastrophe bedurft, bis Carialle erkannte, daß es die Malerei war, die ihr am meisten lag.
Im Alter von drei Monaten in eine Schale integriert und danach überwiegend von KI-Programmen und anderen
Schalenmenschen unterrichtet,
Weitere Kostenlose Bücher