Raus aus dem Har(t)z IV!
empfand ich plötzlich eine tiefe Dankbarkeit. Eine Dankbarkeit an jene Jungs, die mich einweihten in diese Idee, mir einen Teil davon zusprachen und mir vor allem zutrauten, dass ich einen aktiven Beitrag zum Gelingen beitragen könnte. Gleich wie es ausgehen würde, vollkommen egal, wie und was sich aus dieser Idee entwickeln würde, in diesem Moment fühlte ich Dankbarkeit und Freude. Ich fühlte mich bei Freunden und als um Mitternacht das Feuerwerk begann, standen wir alle nur schweigend da und blickten auf das Stück sichtbaren Himmel hinauf. Aufwärts in eine Unendlichkeit, die mit den bunten Sternen und Lichtzaubern der Silvesterraketen ein neues Jahr einläutete und das alte Jahr endgültig verabschiedete. „Auf die Zukunft“ – Michael erhob sein Glas und wir taten es ihm nach: „Auf die Zukunft!“. Danke Jungs! Danke für diesen Abend! Ich sprach es nicht aus, aber war mir sicher, dass meine Augen, die direkt in die schönen Augen Michaels blickten, diesen Dank auf ihre ganz eigene Art übermittelten. Ich glaube rückblickend, dass die drei jungen Männer von diesem Moment an zum Teil von mir und meinem Leben wurden. Eine verschworene Gruppe mit dem Ziel, unser Leben selbst in die Hand zu nehmen.
***
Kapitel III
Ich hatte an jenem Morgen Mühe, mit den schnellen Schritten von Michael mit zu halten. Scheinbar war er genauso aufgeregt wie ich. Wir waren auf dem Weg zu dem Flohmarkt, den wir uns als ersten Schritt in unserem Experiment, wie ich es inzwischen nannte, ausgesucht hatten. Pünktlich um 8.30 Uhr holte er mich wie vereinbart ab. Er stand da, adrett und geschniegelt, dass ich dachte, wir würden zu einem Vorstellungsgespräch gehen. Aber ich hatte mich für diesen Tag auch besonders zu Recht gemacht. Ein schickes Kostüm angezogen und den guten Mantel darüber, um die Kälte abzuwehren, die mal wieder fürchterlich war. Ich hasste den Winter und diese kalte Jahreszeit. Wenn ich irgendwann einmal zu Geld kommen würde, meine erste Station würde der sonnige Süden sein, das schwor ich mir. Wir hatten diese frühe Zeit vereinbart, da wir in aller Ruhe schon früh über den Markt schlendern wollten und keine Angst haben mussten, dass uns jemand anderes das noch nicht bekannte Schnäppchen, auf dessen suche wir waren, wegnehmen würde. Im letzten Moment vor der Nase weg und damit die Chance vermasseln, mit unserem Experiment zu starten. Michael wollte erst gar nicht reinkommen auf einen Kaffee, sondern fragte nur als ich die Tür öffnete, ob es losgehen könne. Das Geld der Jungs hatte er mir zu Beginn in die Hand gedrückt. 750 Euro, die zusammen mit meinem Anteil direkt in den Umschlag wanderten, den ich dafür vorbereitet hatte. ‚Mastermind Kasse‘ hatte ich darauf geschrieben. Irgendwie wollte ich damit dem ganzen Projekt Ernsthaftigkeit verleihen und auch demonstrieren, dass ich diese Kasse separat von allem anderen halten würde. Wir gingen dann auch los, die paar Blocks weiter zu der leerstehenden Industriehalle, in der jetzt regelmäßig märkte veranstaltet wurden. Am Anfang liefen wir noch nebeneinander, doch dann wurde Michael immer schneller. Je näher wir auf unser Ziel zukamen, desto schneller wurden seine Schritte. Als wir ankamen war ich vollkommen außer Atem und wir sahen, dass noch nicht einmal alle Händler angefangen hatten, ihre Stände aufzubauen. Hier ein offener Kofferraum, da herumstehende Kartons und das einzige was in Betrieb zu sein schien, war die kleine Kaffeeküche, die außer dem frischen Koffeingetränk noch Glühwein und gebrannte Mandeln offerierte. Der Nachhall von Weihnachten schwebte also noch in diesen alten Gemäuern. Warum also nicht darauf eingehen. Ich zog Michael an seinem langen Filzmantel zu mir heran und zeigte erwartungsvoll auf die Bude, aus der der frische Kaffeeduft heraus strömte. „Ja, warum nicht. Scheint ja wirklich noch sehr früh zu sein.“ sagte er mir und wir gingen zu der Bude, an der wir uns zwei Kaffee bestellten. Wir nahmen die Pappbecher mit diesem grauenvollen Plastikdeckel, aus dem man trinken sollte wie ein Pflegeheimbewohner aus der Schnabeltasse und stellten uns an den weißen Plastiktisch, der neben der Bude aufgebaut war. Das erste was ich tat, war den Becher von diesem Deckel zu befreien und ich fragte mich anschließend auch direkt, ob diese Deckel nur deshalb über dem Becher waren um zu verhindern, dass jemand sieht, wie dünn diese ausgeschenkte Brühe in Wirklichkeit war. Denn von richtigem Kaffee war das,
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