Rausch der Unterwerfung
wieder im Flugzeug sitzen, auf dem Weg nach Berlin, nach Hause, in ein Leben, das ihr auf seltsame Weise fremd erschien. Sie wollte noch nicht darüber nachdenken, aber die Gedanken ließen sich auch nicht fortwischen, und sie waren beunruhigend, machten ihr Angst.
Miguel würde aus ihrem Leben verschwinden. Er würde sich wieder auf die Suche nach Weiß machen und Bernstein oder Purpur oder sonst wen finden.
Doch was wurde aus ihr?
Sie streckte ihren linken Fuß nach vorn und betrachtete das rote Seil mit der langen, kunstvollen Verknotung. Er machte aus allem etwas Besonderes, selbst wenn es nur um Nebensächlichkeiten ging.
Anne hörte, wie er sich im Bad die Zähne putzte und laut gurgelnd den Mund spülte. Seufzend drückte sie ihren Kopf ins Kissen. Sie fragte sich, warum es ihr nach so kurzer Zeit schon so schwerfiel, in ihr altes Leben zurückzukehren. Vielleicht war er ja bereit, zumindest den E-Mail-Kontakt aufrechtzuerhalten, doch sie bezweifelte es. Wenn sie wieder im Flugzeug saß, dann hatte sie ihm alles gegeben, dann brauchte er sie nicht länger. Sie wäre nur noch eine Erinnerung, vielleicht eine neue Dekoration in dem großen Raum im Erdgeschoss. Es wäre vorbei.
Als die Dusche anging, stand sie vom Bett auf und öffnete die Tür des Badezimmers. Durch den transparenten Plastikvorhang hindurch schaute er sie kurz an und fuhr dann fort, Shampoo auf seinem Kopf zu verteilen und auszuspülen.
„Ausgeschlafen?“
„Ja, Herr.“
„Bereit für den großen Tag?“
Sie holte tief Luft und atmete aus. Ihr war klar, dass er etwas plante. Am vorigen Abend hatte er von einem Finale gesprochen, und das würde ganz sicher alles übertreffen, was er bisher mit ihr gemacht hatte. Doch nach dem letzten Abend war sie nicht sicher, ob sie einem „mehr“ noch gewachsen war.
„Ich bin bereit, alles zu tun, was mein Herr wünscht“, gab sie vorsichtig zurück. „Aber ich …“
Er zog plötzlich den Vorhang beiseite und unterbrach sie.
„Halt dich fest und heb deinen Fuß an.“
Sie griff nach der gemauerten Wand der Duschzelle und streckte ihm den Fuß mit der Fesselung entgegen. Er knüpfte sie auf, warf das Seil auf den Boden und zog sie zu sich unter den warmen Wasserregen.
Anne schloss die Augen und genoss die Berührung seiner Hände, die duftendes Duschgel auf ihrem Körper verteilten. Als er fertig war, schaltete er das Wasser ab, worauf Anne enttäuscht die Augen aufschlug und zu ihm hochschaute. Das war ihr viel zu schnell gegangen. Doch er machte auch keine Anstalten, die Duschkabine zu verlassen, stattdessen griff er mit einem teuflischen Funkeln in den Augen zu einem Ablagekorb, der verschiedene Badutensilien enthielt, und zog eine Dose Rasierschaum hervor.
Anne starrte ihn beunruhigt an, während er die Dose vor ihrem Gesicht schüttelte und anschließend eine großzügige Portion des Schaums auf seine linke Handfläche sprühte. Sie sah ja ein, dass dieses noch immer ungewohnte tägliche Prozedere schon allein für die Ästhetik seiner Fotos notwendig war, und sie selbst fand es schön und fühlte sich wohl damit. Aber er wollte das doch wohl nicht selber tun?
Seine Linke war allerdings schon emsig dabei, den Schaum zwischen ihren Beinen zu verteilten, während er mit der Rechten die Dose zurück in die Ablage stellte und als nächstes einen Rasierer zum Vorschein brachte.
Annes Mund öffnete sich und schloss sich wieder, ohne dass ein Wort herausgekommen war. Wozu auch? Einwände würde er ohnehin nicht gelten lassen, er wäre nur wieder verärgert, und nicht zuletzt musste sie sich eingestehen, dass schon der Gedanke an sein offenkundiges Vorhaben sie ganz kirre machte.
Miguel lächelte plötzlich, sie konnte ihm wirklich nichts mehr vormachen, er durchschaute sie bis auf den Grund. Unter seinem Blick wurde sie knallrot.
„Hm“, machte er zufrieden und rieb mit dem Daumen über ihre erhitzte Wange. „Das hab ich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen. Ich hatte schon befürchtet, ich krieg das nicht mehr hin.“
Er zog die Brause aus der Halterung und schaltete das Wasser wieder an. Dann ging er vor ihr in die Hocke und schlug leicht gegen ihre rechte Wade.
„Stell dein Bein auf meine Schulter … gut.“
Während er mit der Klinge auf ihrer Haut entlangfuhr, schaute Anne ihm zu und lächelte. In seinem Gesicht lag derselbe konzentrierte Ausdruck, mit dem er sie auch in seine Seile zu knoten pflegte, als wäre alles, was er mit ihr tat, die wichtigste Sache
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