Rausch der Unterwerfung
vorhin irgendetwas … besser machen? Hast du versucht, dich von einer Frau abzuheben, die überhaupt nicht mit dir vergleichbar ist?“
Anne zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, vielleicht.“
Sie hörte, wie er einen leisen Unmutslaut ausstieß.
„Das hier ist kein Wettbewerb. Es gab nie eine ‚Beste‘ oder eine ‚Schlechtere‘. Jede einzelne von ihnen war etwas Besonderes … auch Schwarz … und du.“
„Ich habe mich noch nie so gefühlt“, versuchte Anne zu erklären. „Besonders. Erst seit ich hier bin.“
Darauf antwortete Miguel lange Zeit nichts. Er rührte in seinem Kaffee, ohne ihn jedoch zu trinken. Als er schließlich zu sprechen begann, war ihm anzumerken, wie ungern er es tat.
„Schwarz war ein Auftrag. Gothic-Szene. Nicht mein Ding, aber Lara war einfach perfekt, auch wenn ich sie nach ihrer Ankunft erst einmal unter die Dusche stellen musste, um die ganze Maskerade abzuwaschen.“
Die Erinnerung schien einiges von seinem Unbehagen zu vertreiben, denn er lachte leise, und Anne lächelte, weil sie sich das Geschehen gut vorstellen konnte. Doch Miguel wurde schnell wieder ernst.
„Als Erstes stellte ich fest, dass sie mich in Bezug auf ihr Alter belogen hatte. Sie war kaum neunzehn, viel zu jung.“
Die Ablehnung in seiner Stimme war nicht zu überhören. Anne musste augenblicklich an Gunda denken, aber auch an Josepha, die zehn Jahre älter sein mochte als Miguel und ihn trotzdem als Erste inspiriert hatte. Sie schob die Gedanken jedoch schnell beiseite, um nichts von Miguels Geschichte zu verpassen, immerhin war es das erste Mal, dass er etwas von sich erzählte.
„Als ich sie nach Hause schicken wollte, bat sie mich um eine Chance. Sie wollte eine Session, eine einzige.“
„Hat sie sie bekommen?“, fragte Anne, als er nicht weitersprach.
Er nickte. „Mehr als eine, viele. Mir war bewusst, dass sie mir etwas vorspielte, aber das tat sie verdammt gut. Sie war Schwarz, wie ein Abgrund, dunkel, undurchschaubar, perfekt. Es klingt verrückt, aber es funktionierte, die Arbeiten waren gut, nicht unbedingt das Beste, was ich bis dahin gemacht hatte, aber sie wurden dem Auftrag gerecht.“
Er unterbrach sich erneut und schüttelte den Kopf, so als wüsste er nicht, warum er Anne überhaupt davon erzählte.
„Und eine dieser Arbeiten entstand hier, in der Cueva Negra?“, fragte Anne, als sich das Schweigen in die Länge zog.
„Nein, das kam später. Wir machten weiter. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, Schwarz jede einzelne ihrer Masken vom Gesicht zu reißen. Über das, was ich dabei finden würde, dachte ich nicht nach. Es fühlte sich richtig an, zumal Lara alles tat, um mir dabei zu helfen, als hätte sie nur darauf gewartet, dass jemand ihr zuhört und sich für sie interessiert. Sie öffnete sich, brachte mich auf Ideen, brachte mich zum Lachen. Sie gab mir das Gefühl, einen Schatz auszugraben, Stück für Stück legte ich ihr Innerstes frei. Sie zeigte mir ihre Schönheit, ihre Lebensfreude, sehr viel Leidenschaft und ihren Schmerz. Was ich allerdings vergeblich suchte, war Angst. Egal, wie weit ich ging, sie kannte keine Grenzen, ich fand höchstens meine eigenen. Nur manchmal bat sie winselnd um Gnade und lachte im selben Atemzug.“
„Jeder Mensch hat vor irgendetwas Angst“, warf Anne ein.
„Ja.“ Miguel nickte, dann trank er einen Schluck von seinem Kaffee und schaute zum Horizont, als wäre das Gespräch für ihn beendet.
Anne wartete geduldig. Die Geschichte hatte sie überrascht, auch wenn Miguel sie auffallend gleichgültig erzählte, als wäre er selbst nie daran beteiligt gewesen. Schwarz hatte ihn fasziniert, ihn herausgefordert, aber auch beeindruckt. Sie hatte ihm etwas bedeutet, er versuchte lediglich, es vor Anne zu verbergen.
„Er hat sie geliebt“, schoss es ihr durch den Kopf, während sie sein Gesicht musterte, dessen Ausdruckslosigkeit mehr enthüllte als verbarg. Am Ende war irgendetwas passiert, was ihn noch heute mitnahm. Das wäre nicht so, wäre sie ihm gleichgültig gewesen. Was hatte sie getan, um ihn so zu verletzen?
Anne wandte ihren Blick ab und war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob sie das Ende der Geschichte überhaupt noch hören wollte. Allein darüber nachzudenken, tat ihr weh.
„Lara gehörte mir … zumindest glaubte ich das“, fuhr Miguel schließlich fort. „Ich glaubte es zweiunddreißig Tage lang, bis sie mich eines Morgens um ihre letzte Session bat.“ Er wandte sich Anne zu und schien eine Weile
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