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Rausfliegen mit Erfolg

Rausfliegen mit Erfolg

Titel: Rausfliegen mit Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Nentwich
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Laune und Thema wählt dann Ihr Chef einen der freibleibenden Sitzgelegenheiten und damit den Blickwinkel zu Ihnen. 90 Grad bedeutet Kooperation und Wohlwollen. Bei weniger als 90 Grad – manchmal verbunden mit freundschaftlichem Körperkontakt – bekommen Sie entweder eine freiwillige Gehaltserhöhung oder müssen Ihrem Chef ein gut gehütetes Geheimnis anvertrauen. 180 Grad sind die pure Konfrontation. Im Idealfall bekommen Sie eine Gardinenpredigt, weil Sie etwas verbockt haben. Eher realistisch werden Sie mit einer Beschneidung Ihrer Kompetenzen oder sogar einer bevorstehenden Versetzung konfrontiert. Je nach Körperhaltung gestaltet sich die Auseinandersetzung heftig emotional oder sachlich kühl.
    Wenn nun Ihr Boss in einem zur Konfrontation geeigneten Sitzwinkel von 180 Grad plötzlich beginnt, Ihnen in einem verbindlichen, bemüht freundlichen Ton, jedoch mit eigenartig belegter Stimme die Komplexität ihrer eigenen Organisation zu erklären, dann herrscht Alarmstufe ROT. Sie erleben gerade den Anfang vom Ende.
    Urteilsverkündung ohne Begründung
    Sollten Sie sich jemals in der unangenehmen Lage befunden haben, im Rahmen eines Prozesses die Anklagebank zu drücken, dann können Sie sich mit Sicherheit noch an die Worte des Richters bei der Urteilsverkündung und -begründung erinnern.
    Das ist bei einer Kündigung nicht anders.
    Viele meiner Gesprächspartner haben mir ihr persönliches Erlebnis detailreich geschildert. Sie erinnerten sich an jedes gesprochene Wort ihres Chefs, an die Gedanken, die ihnen damals durch den Kopf schossen, die Gefühle, die sie durchlebten.
    Der Unterschied zwischen einem Richterspruch und einer Kündigung liegt in der situativen Kompetenz des Sprechenden. Obwohl im Vorteil, fühlt sich Ihr Chef mit der Aufgabe, Sie zu feuern, unter Umständen vollkommen überfordert. Das ist kein Scherz.
    Das ist eine Frage der Routine.
    Verkaufsgespräche und Verhandlungen werden trainiert, Kündigungen nicht. Hier heißt es: „learning by doing“. Meist sind es junge Führungskräfte, die damit Probleme haben. Sie haben mit fachlicher Qualifikation ihre Karriere vorangetrieben, weisen aber hinsichtlich der Mitarbeiterführung in Konfliktsituationen wenig bis keine Erfahrung auf.
    So kam es, dass der junge Boss sich den Schweiß von der Stirn wischte und seinem älteren Mitarbeiter, dessen Kündigung er soeben vor versammelter Mannschaft bekanntgegeben hatte, beim Verlassen des Konferenzraums zuraunte: „Ich verstehe gar nicht, wie Sie so gefasst bleiben konnten, mir hat das jetzt eben ganz schön zugesetzt.“
    Und es ist Einstellungssache.
    Gewisse Aufgaben bereiten auch routinierten Managern jedes Mal von Neuem Kopfweh. Der innere Konflikt bei einer Freisetzung kann z.B. daraus entstehen, dass Ihr Vorgesetzter – im Gegensatz zum Richter beim Richterspruch – nicht vollends von der Sinnhaftigkeit seines eigenen Vorgehens überzeugt ist. Dass ihn irgendwie das schlechte Gewissen drückt, was man deutlich sehen und hören kann. Diese Signale werden von den Betroffenen eher irritiert zur Kenntnis genommen.
    â€žWarum konnte mir mein Chef bei der Kündigung nicht in die Augen schauen?“, fragte sich ein Betroffener. „Ich hatte das Gefühl, ich muss mein Gegenüber trösten“ , merkte ein anderer sarkastisch zum Auftritt seines Chefs an, der sein Kündigungsgespräch mit folgenden Worten begann: „Diese Gespräche sind die schwierigsten für mich. Was tun wir Ihnen hiermit an …“. „Mein Boss, offensichtlich gänzlich unerfahren in der Freisetzung von Mitarbeitern, lief mir wirklich tagelang hinterher, um sich zu entschuldigen und mich anzuflehen, ihm die Vorgehensweise persönlich nicht übel zu nehmen“ , schildert ein Betroffener kopfschüttelnd.
    Auch dass der Ton nicht zur Musik passte, stört gefeuerte Arbeitnehmer. Eine um Verständnis heischende Stimme, die mit Engelszunge spricht, macht die getroffenen Aussagen nicht leichter. Schlimm wird es dann, wenn der Überbringer der Botschaft Klarheit und Struktur im Gespräch gänzlich vermissen lässt. Betroffene erzählen von holprigen, langatmigen Monologen, die anfänglich totale Verwirrung über den tatsächlichen Inhalt der Nachricht auslösten.
    Das „Urteil“ war als solches nicht sogleich erkennbar, weil es sich fließend ohne Vorwarnung

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