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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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magischen Vereinigung von Meister und Gehilfe, zeigten sie keine Landschaften und auch keine Luftschiffe. Sie zeigten nur Magier - aber auch die nicht so, wie Nick Jerome sie schon kannte, bei friedlichem Tun, sondern bei der Ausübung ihrer magischen Künste.
    Und diese waren Schwarze Magie ...
    Nick Jerome glaubte so etwas wie einen Rachen zu erkennen, einen Schlund, der tief hinabführte in unheilige Abgründe, Abgründe, in denen es von Gestalten wimmelte, die hundertmal scheußlicher waren als die Thul Saduum. Über - über? - dem Abgrund tanzten die Magier, feurige Fliegen in wallenden, lebenden Mänteln, die wie Flügel um sie flappten. Und über den Rand des Abgrunds taumelten blutige Zombies, tot, aber nicht entseelt.
    Die Seelen fraßen erst die in der Tiefe.
    Nick Jerome wäre am liebsten gestorben, als er die Scheußlichkeiten sah, die der Meister - sein Meister! - und seine Gehilfen in diesem höllischen Nichts zelebrierten. Zelebriert hatten, denn all dies lag Äonen zurück.
    JA, ALL DIES WAR - UND ES WIRD WIEDER SEIN! DU WIRST UNS DAZU VERHELFEN - UND DARUM DARFST DU NOCH NICHT STERBEN.
    Nick Jeromes gefolterte Seele schrie, bettelte, flehte um Gnade. Ich will keinen Teil daran.
    Die Schädel lachten nicht einmal über sein Winseln. Sie ignorierten ihn einfach mit göttlicher Arroganz.
    Endlich verschwanden die Bilder. Das Ritual war vollzogen, das Band zwischen den Geistern geflochten. Ein kurzes mentales Flackern - und der Meisterschädel sah durch die Augen seines Gehilfen.
    Und mit ihm Nick Jerome.
    Vor dem Kristallschädel im Ausstellungsraum hockte ein Mann. Irgendwo hinter ihm schienen sich noch andere Personen in dem Raum aufzuhalten, aber sie waren nur verwaschene Schatten am Rande des Gesichtsfeldes. Die beiden Kristallschädel achteten nicht auf sie, sondern konzentrierten sich ganz auf den Mann direkt vor ihnen. Der Mann wiederum schien sich aus unerklärlichen Gründen ganz auf den Pariser Kristallschädel in der Vitrine zu konzentrieren, denn er starrte ihm unverwandt in die leeren, funkelnden Augenhöhlen.
    TÖTEN.
    Die Augen des Mannes im Ausstellungsraum weiteten sich in jähem Erstaunen. Er zog ungläubig die Mundwinkel hoch, und seine schmalen Lippen unter dem an den Kanten präzise ausrasierten Menjou-Bärtchen wurden womöglich noch schmaler. Seine Hand, schlank und beringt, fuhr an sein Kinn.
    TÖTEN. TÖTEN.
    Die Finger des Mannes begannen zu zittern, so stark, dass die Fingerspitzen einen kleinen Trommelwirbel gegen sein fliehendes Kinn schlugen. Die Muskeln seines Gesichtes zuckten und bebten wie unter elektrischen Schlägen, und seine Augen verdrehten sich, bis man nur noch das blutdurchschossene Weiße sah. Sein Körper rutschte kobragleich pendelnd auf dem Kunstleder der Bank, auf der er saß, hin und her, hin und her.
    TÖTEN. TÖTEN. TÖTEN.
    Der Mund des Mannes öffnete sich. Seine Hände verkrampften sich zu Klauen. Sie zitterten nur noch unmerklich, wie unter einer ungeheuren inneren Anspannung. In seiner Brust sammelte sich ein unmenschlicher Schrei, bereit, jedem Augenblick hervorzubrechen.
    Und dieser Augenblick war ...
    ... JETZT!
    Als der kleine Franzose seinen epileptischen Anfall bekam, stand Raven höchstens fünf Schritte hinter ihm.
    Das heißt: Zuerst hatte Raven geglaubt, dass es sich um einen epileptischen Anfall handelte. Doch dieser Irrtum währte nur Bruchteile von Sekunden.
    Als der Mann aufsprang und wie ein Berserker auf eine der nächstgelegenen Vitrinen zustürmte, wobei er einen entsetzlichen Schrei ausstieß, der Raven schier das Blut in den Adern gefrieren ließ, war klar, dass der vermeintliche epileptische Anfall nichts anderes war als der Beginn eines mörderischen Amoklaufs.
    Raven hatte den kleinen Franzosen schon einige Minuten lang beobachtet. Eigentlich hatte er ihm sogar mehr Beachtung geschenkt als dem Kristallschädel in der Vitrine, denn das Benehmen des Mannes war nach landläufigen Vorstellungen überaus merkwürdig: Er saß da und starrte unverwandt den Kristallschädel an, mit einer geradezu beängstigenden Intensität.
    Auf dem Flug nach Paris hatte Raven die Zeit gut genutzt und sorgfältig alle Dossiers studiert, die er von Melissa McMurray erhalten hatte. Daher wusste er von Anfang an, was der Mann auf der kunstledernen Sitzbank direkt vor der Vitrine beabsichtigte.
    Manchmal, so hieß es in den Berichten, erlebten Menschen, die konzentriert in die Augenhöhlen eines der Kristallschädel starrten, seltsame Visionen. Angeblich

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