Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)
Beifahrertür schwang auf.
Rasch ging Jeff Target um den Wagen herum und ließ sich in den Sitz fallen. Noch während er die Tür schloss, heulte der Motor wieder auf, und der Wagen fuhr ruckartig an.
»Hallo, Jeff«, sagte eine Stimme vom Rücksitz her.
Der Reporter wirbelte herum.
Er starrte direkt in das totenbleiche Gesicht von Janice Land.
Irgendwo ertönte Pferdegetrappel.
Raven legte den Kopf schräg, schloss die Augen und lauschte. Das Geräusch blieb, schien sogar stärker zu werden: das Klappern harter Hufe auf steinigem Untergrund. Gleichzeitig glaubte er, einen schwachen, kaum wahrnehmbaren Geruch aufzufangen, Geruch nach heißem Sand und Schweiß, nach ...
Der Schattenreiter!
Er war hier!
Raven fuhr herum. Aber natürlich war der seltsam konturlose Raum, in dem er sich befand, völlig leer. Nirgendwo gab es jemanden, der ihm hätte zu helfen vermögen. Plötzlich war die Angst wieder da, die gleiche schleichende Panik, die ihn schon früher überfallen hatte, als er dem grauenhaften Ding begegnet war, gegen es gekämpft hatte, wieder und wieder.
Langsam wich er zurück. Seine Beine bewegten sich träge und widerwillig, und das Vorankommen schien mit jedem Schritt schwerer zu werden. Irgendetwas, eine schreckliche, unwiderstehliche Kraft, schien ihn daran hindern zu wollen, zu fliehen.
Er warf sich mit einem erstickten Aufschrei herum und rannte auf den Ausgang zu, der sich, wie er plötzlich wusste, auf der anderen Seite des Raumes befand. Aber auch dort traf er auf die unsichtbare Barriere. Es war, als wate er durch zähen Sirup. Seine Beine schienen mit einem Mal so schwer wie Blei zu sein, jeder Schritt wurde zur Qual.
Schatten wogten vor seinen Augen. Schwarze, neblige, zerfaserte Schatten, die sich zusammenballten, wieder auseinander flossen und sich neu formten, um allmählich die Umrisse eines gigantischen schwarzen Reiters anzunehmen.
Raven sah die Gestalt jetzt zum ersten Mal ganz deutlich, und der Anblick jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. Pferd und Reiter mussten zusammen über drei Meter groß sein. Der Mann war in einen wallenden schwarzen Umhang gehüllt, der seine Gestalt fast vollkommen verbarg. Auf dem Kopf trug er einen wuchtigen, gehörnten Helm, und von seinem Gürtel baumelte ein meterlanger Krummsäbel. Von seinem Gesicht war nicht viel zu sehen, aber das Wenige, das Raven erkennen konnte, reichte, um ihm die Kehle zuzuschnüren.
Das Reittier stand seinem Herrn an Hässlichkeit kaum nach. Die Ähnlichkeit mit einem Pferd bestand nur auf den ersten Blick. Es war irgendein knochiges, gepanzertes, hässliches Fabeltier, dessen Kopf eher dem einer schuppigen Echse zu gleichen schien als dem eines Pferdes. Zwischen den halb geöffneten Kiefern schimmerte ein furchtbares Raubtiergebiss, und die Gelenke waren mit langen, hornigen Stacheln versehen.
Und dann setzte sich der Schattenreiter in Bewegung.
Raven begann langsam zurückzuweichen.
»Aber was fürchtest du dich denn, mein Freund?«, sagte der Schattenreiter verwundert. »Ich bin es doch, Boraas. Erinnerst du dich nicht mehr an mich?« Doch seinen Worten zum Trotz hob er ganz langsam den grässlichen Krummsäbel und ließ ihn mit einer beinahe spielerischen Bewegung auf Raven hinabsausen. Die schattenhafte Klinge war rot vom Blut der früheren Opfer.
Raven schrie wie nie zuvor in seinem Leben. Er spürte, wie die Klinge seitlich in seinen Hals eindrang, sah mit den Augen eines Außenstehenden, wie sein Kopf vom Rumpf getrennt wurde, in nur einem Streich. Und der abgetrennte Kopf schrie weiter.
»Boraas! Hilf mir, Boraas! Boraas!« Immer noch schreiend erwachte Raven.
Es war ein schrecklicher Traum gewesen, konfus, aber von ungeheurer Lebendigkeit. Mit zitternden Fingern tastete Raven nach seiner Armbanduhr, die er auf dem Nachttischchen neben dem Bett deponiert hatte. Viertel nach zehn. Er legte die Uhr auf die Platte zurück, wischte sich übers Gesicht und ließ sich wieder in die vom Schweiß völlig durchnässten Kissen sinken.
Seine Augen wanderten unstet durch den Raum, bis sie an der sich langsam öffnenden Tür hängen blieben. Angst umkrampfte sein Herz, aber es war nur Hives, der Butler, der besorgt von draußen hereinspähte. »Sir?«
Raven atmete tief durch. »Danke, es ist nichts«, sagte er mit heiserer Stimme. »Ich habe nur geträumt.« Er versuchte, ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern, aber das misslang ihm gründlich.
Hives reagierte auf diese Erklärung mit einem genau
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