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Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Raven - Schattenchronik: Sechs Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Bewunderung aussprechen. Sie haben ungeheuer mutig gehandelt - ich weiß nicht, ob ich mich getraut hätte, diesen Amokläufer mit bloßen Händen anzugreifen.«
    Raven hörte gar nicht zu. Was das Frettchen da sagte, war eine bloße Wortkaskade, der verzweifelte Versuch, ihn, Melissa und den Wärter von etwas abzulenken.
    Und zwar von dem, was der deutsche Freund des Frettchens drüben vor der Vitrine tat.
    Auch dem blau uniformierten Wärter schien jetzt aufzufallen, wie merkwürdig sich der Hüne mit der schwarzen Armschlinge verhielt. Vielleicht erinnerte er sich aber auch nur daran, dass Albert Le Duc ihm höchstpersönlich aufgetragen hatte, niemanden zu lange in die unmittelbare Nähe des Kristallschädels zu lassen. Jedenfalls löste er sich aus der Gruppe um Raven und bewegte sich auf den Kleiderschrank zu, auf dessen Stirn und Brauen sich jetzt, deutlich sichtbar für alle, dicke Schweißperlen bildeten.
    Aber anscheinend hatte der Wärter ganz unerwartete Schwierigkeiten, die wenigen Meter hinüber zur Vitrine auf geradem Wege zurückzulegen ...
    Raven glaubte seinen Augen nicht trauen zu dürfen, als sich die vierschrötige Gestalt des Wärters plötzlich auf grauenerregende Weise verformte. Seine linke Körperhälfte wurde übergangslos dünner, während sich die rechte deutlich ausbeulte. Seine Arme waren plötzlich unterschiedlich lang und dick, und sein linkes Bein hatte nicht mehr sehr viel Ähnlichkeit mit dem rechten. Sein ohnehin nicht sehr schön geformter Kopf sah jetzt aus wie ein schlapper, eingedrückter Fußball.
    Ihn selbst schien das allerdings nicht wesentlich zu stören, ja, vielleicht bemerkte er es nicht einmal. Er bewegte sich nach wie vor vorwärts, jedoch nicht in einer einzigen durchgängigen Bewegung, sondern in einer Folge von unendlich vielen, unendlich kleinen Rucken. Das machte sein Vorankommen zu einem absurden Flirren und Fließen.
    Ja, das ist es, dachte Raven plötzlich. Er fließt um etwas herum - um etwas Unsichtbares!
    Und dann ging alles sehr schnell ...
    Der Kristallschädel in der Vitrine begann ebenfalls unsichtbar zu werden.
    Der hünenhafte Deutsche mit der Armschlinge taumelte mit einem unterdrückten Aufkeuchen zurück, dem Wärter, der nun nicht mehr floss, sondern sich wieder ganz normal bewegte, genau in die Arme.
    Das Frettchen mit dem eleganten Anzug unterbrach sich auf einmal mitten im Wort und machte drei oder vier schnelle Schritte nach hinten, von Rasen weg. Er hielt plötzlich eine Pistole in der Hand, deren schwarzes Mundloch Raven und Melissa schläfrig und ein bisschen gemein angähnte.
    Melissa, ohnehin mit den Nerven längst am Ende, schrie erschrocken auf.
    Der Wärter wirbelte herum, als er den Schrei vernahm. Zugleich stieß er den ungeschlachten Deutschen von sich, um die Hände frei zu haben.
    Die Pistole hustete einmal kurz auf und spuckte eine Kugel in den Raum.
    Die Kugel traf den uniformierten Wärter mitten in die Brust, ungefähr zwei Zentimeter unter seinem Plastik-Namensschildchen. Der Schlag schüttelte den Wärter zwar heftig durch, warf ihn jedoch nicht um.
    Statt zu fallen, schaute der Mann langsam an sich herunter und inspizierte das münzengroße Loch in seiner Brust. In einer absurden Geste steckte er die Spitze seines rechten Zeigefingers in das Loch, als versuchte er, das Blut auf diese Weise zu stoppen. Er sagte etwas, das wie »Mon dieu!« klang, und verzog den Mund dabei. Und als er schließlich in die Knie brach, war er schon eine Ewigkeit lang tot.
    Das Bild gerann zu einem blutigen Tableau. In Ravens Kopf wirbelten die Gedanken. Er fühlte sich vollkommen überfordert. Mit allem hatte er gerechnet, nur mit dem hier nicht. Magie, gewiss - aber ein eiskalter Killer, der einen völlig sinnlosen Mord begeht?
    Sehr langsam hob Raven seine Hände bis auf Schulterhöhe. Die schnelle Abfolge der Ereignisse hatte das Frettchen offenbar so aus dem Konzept gebracht, dass es nur noch mit gedankenlosem TÖTEN reagieren konnte. Und er wusste nicht, dass Raven derzeit viel zu viel Angst hatte, um seine Nahkampffähigkeiten einzusetzen. Wenn er, Raven, jetzt eine einzige falsche oder auch nur zweideutige Bewegung machte, war auch er erledigt. Das schwarze Mundloch konnte noch öfters spucken. Es hatte noch eine Menge Tod im Rachen.
    Aber wieder nahmen die Ereignisse eine völlig andere Wendung, als Raven oder irgendeiner im Raum vorhergesehen hatten.
    Das Frettchen machte einen Ausfallschritt zu seinem Freund hinüber.
    Doch der war

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