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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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beiden am Boden kauernden Schlüsselmacher. Es wurde gespenstisch dunkel. Alles war von einem irren Rascheln, Zischen und Schmatzen erfüllt, so als hätte der Wahnsinn persönlich an die Pforte von Laras Gehirn geklopft, nur um zu fragen, ob ausgerechnet die Ohren ihm genug Platz böten, hereinzuspazieren und eine Provinz im Innern zu errichten.
    Der raschelnde Lärm schwoll an, es wurde feucht und heiß im Inneren des Rankengewirrs.
    Â»Was passiert hier?«, schrie Lara verzweifelt.
    Â»Ich weiß es nicht«, kam von irgendwoher Toms Stimme. Auch er schien kurz vor der absoluten Panik zu stehen.
    Ein Zirpen ertönte, als würden die Tausenden kleinen Rankenarme wie Zikadenbeine gegeneinander reiben. Es rauschte heiß und pochend durch Laras Gehörgänge. Mit einem schmerzverzerrten Aufschrei warf sie sich auf die Seite und presste die Hände und Arme auf die Ohren.
    Â»Aufhören!«, brüllte sie. »Aufhören!«
    Doch die Pflanze reagierte nicht darauf. Das Zirpen schwoll weiter an.
    Lara trat danach, trat wild um sich. Es half nichts, die Blätter schienen überall zu sein.
    Â»Aufhören«, wimmerte sie, während sie sich erschöpft auf dem Boden zusammenkauerte, um die Pflanze nicht auf ihrer Haut spüren zu müssen.
    Â»Aufhören.«
    Immer wieder.
    Die Tränen rannen ihr heiß die Wangen hinunter.
    Auf einmal war Toms Hand da und hielt sie fest. Auch er war verschwitzt und zitterte, aber er lag ruhig da, hielt nur ihre Hand, erwartete, was wohl noch kommen mochte.

    Auf einmal war es still. Die Geräuschkulisse der Höllenvorboten hatte aufgehört zu wimmeln, und es setzte ein sanftes Rieseln ein, als sich die Knoten und Verflechtungen um sie herum wieder zu lösen begannen, nach und nach den schützenden Kokon für das Tageslicht freigaben und schließlich den Rückzug antraten, dorthin, wo sie hergekommen waren.
    Tom rappelte sich mit einem Stöhnen auf.
    Zwischen ihnen war eine junge Frau oder ein Mädchen aufgetaucht. Sie wirkte in etwa so alt wie Lara und mochte auch ungefähr so groß sein. Sie trug eine Fransenhose und ein weißes Leinenhemd mit einer Lederweste darüber. Eigentlich eine Kleidung, die Lara automatisch einem männlichen Vertreter der Rasse Mensch zugeordnet hätte, vorwiegend aus den Abenteuerromanen der Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts. Das verschmitzte Lächeln der jungen Frau wurde von braunen Ranken aus dichtem, glänzendem Haar gesäumt und von blitzenden giftgrünen Augen pointiert, die gut zu ihren klingelnden Ohrringen aus Jadesteinen passten. Dass sie kein Piratentuch um den Kopf gebunden trug, wunderte Lara. Sie sagte allerdings erst einmal nichts zu der Erscheinung, sondern stand auf.
    Â»Das war ganz schön knapp«, meinte die junge Frau.
    Â»Danke«, sagte Lara. »Und wie meinst du das?«
    Â»Ich fürchte, dem Ampelocissus Ater war mal wieder nach etwas Fleisch zumute.«
    Lara grinste schief.
    Â»Sehr lustig.«
    Die junge Frau mit den Rankenlocken zuckte die Achseln.
    Â»Ich hätte euch auch einfach bei dem Ampelocissus lassen können, aber ich dachte, ich frage euch vielleicht besser erst, was ihr wollt.«
    Ihre Gelassenheit ging Lara eindeutig auf die Nerven. Wie konnte jemand so locker und lässig daherreden, wenn sie gerade beinahe von einer durchgedrehten Pflanze umgebracht worden wäre?
    Tom legte eine Hand auf ihre Schulter und brachte so Laras Wutausbruch in letzter Sekunde zum Schweigen.
    Â»Wir suchen jemanden, der sich hier auskennt«, sagte er nur.
    Â»Großartig«, strahlte ihre neue Bekanntschaft. »Ihr habt jemanden gefunden.«
    Tom musterte sie von oben bis unten und zog eine Augenbraue hoch.
    Â»Bist du die, die alle das Efeumädchen nennen?«
    Begeistertes Nicken.
    Â»Dann suche ich jemand Älteren. Was ist mit Meisterin Ito?«
    Die Begeisterung wurde förmlich vom Gesicht des Efeumädchens gewaschen wie Dreck durch einen Eimer voll Wasser. Lara verkniff sich eine hämische Bemerkung, aber ihr gefiel es zu sehen, wie einfach sich die arrogante Geringschätzung verflüchtigt hatte.
    Â»Ach ja«, setzte Tom nach. »Wie heißt du eigentlich?«
    Â»Liza«, erklärte das Efeumädchen. »Liza Reeds. Freunde nennen mich Lizzy. Für euch erst einmal Liza. Folgt mir einfach, dann bringe ich euch zu Meisterin Ito! Ohne dass ihr diesmal danebentappt. Ihr lauft doch für

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