Raylan (German Edition)
hätte um zehn Dollar gewettet, dass Martinis kommen würden.
Sie sagte: »Ich würde gern Ihre Meinung zu einer Sache hören, okay? Alle meine Pferdefreunde nennen mich Beth. Was vermutlich daran liegt, dass meine Mutter mich so nennt, wenn sie zu Besuch kommt. Aber meine alten Freunde – man könnte auch sagen, Freunde aus einem anderen Leben – nennen mich Liz. Was meinen Sie, wer bin ich, eine Beth oder eine Liz?«
»Sie stellen meine Beobachtungsgabe auf die Probe«, sagte Raylan.
»Los jetzt, wer bin ich?«
»Liz«, sagte Raylan.
»Warum?«
»Weil Sie mit Ihren alten Freunden mehr Spaß hatten als mit Ihren pferdeverrückten Bekannten.« Fünfundfünfzig – sie sah keinen Tag älter aus als vierzig. Sie stand da und spielte mit ihrem dichten dunklen Haar. »Sie vermissen Ihre alten Freunde«, sagte Raylan. »Ich würde nur allzu gern erfahren, woher Sie stammen und wie Sie Harry kennengelernt haben – ich wette, es ist eine gute Geschichte. Aber leider bin ich wegen Cuba hier. Ich glaube, Sie haben ihn besser gekannt als Ihr Ehemann.«
»Harry«, sagte Liz, »hat keine Ahnung, wie man den Menschen nahekommt. Sein Charakter hält alle auf Abstand, sein Gesichtsausdruck wirkt immer aufgesetzt. Obwohl er nicht ganz so steif ist, wenn er getrunken hat, und längst nicht mehr so langweilig. Ich glaube, er wäre gern ein Hengst und würde es den lieben langen Tag mit den Stuten treiben.«
»Und was machen Sie in der Zwischenzeit?«, fragte Raylan. »Zu Kaffeekränzchen gehen?«
Sie sagte, »ja, ich liebe Kaffee«, und wandte sich dem Dienstmädchen zu, das den Wintergarten mit einer Karaffe voller Martini und einer Schüssel mit Anchovis und Oliven betrat.
Beide saßen mit ihrem Drink in der Hand auf dem Sofa, zwischen sich ein Kissen, die Karaffe auf dem Beistelltischchen, Liz erzählte immer noch von Harry.
»Wenn er getrunken hatte, zogen er und Cuba ihre Der-Boss-und-sein-dummer-Afrikaner-Show ab. Harry rügte ihn für seine Klamotten, Cuba sagte, ›aber Boss, es ist doch Ihre Missus, die mich anzieht‹, worauf jeder in der Keeneland Bar sich vor Lachen ausschüttete.«
»Warum lassen Sie sich«, fragte Raylan, »von den Pferdeleuten nicht auch Liz nennen?«
Sie sagte: »Das würde nicht funktionieren. Es würde sich anhören wie Liz Taylor in Die Katze auf dem heißen Blechdach . Sie hatte diesen Hollywood-Südstaatenakzent, die klingen in den Filmen ja immer alle, als ob sie aus Virginia kämen.«
»Es macht Ihnen Spaß, ein bisschen auf verrückt zu machen«, sagte Raylan. »Das haben Sie wohl mit Cuba gemein, wenn man sich ansieht, in was er so hineingerät.«
»Er war lustig«, sagte Liz. »Wenn uns danach war, konnten wir uns den ganzen Tag lang unterhalten, Harry war immer in den Stallungen. Wir hatten aber keinen Sex, falls Sie das jetzt denken.«
Raylan schüttelte den Kopf, obwohl er genau das gedacht hatte.
»Cuba war lustig.«
»Das glaube ich«, sagte Raylan.
»Ich will ehrlich zu Ihnen sein«, sagte Liz. »Hin und wieder ist es passiert, aber eben nicht regelmäßig. Sie wissen schon, einfach so passiert, man fängt an herumzualbern, und es wäre dämlich aufzuhören.«
Raylan sagte: »Kenne ich.«
»Sie müssen wissen«, sagte Liz, »Cuba kommt von der Straße,aber er geht sehr gelassen damit um. Ich musste nie fragen, wovon er eigentlich gerade redete. Hat mir erzählt, wie es im Gefängnis war. Er hat mir den Unterschied zwischen schwarzen und weißen Frauen im Bett erklärt.« Liz grinste und sprach schließlich weiter: »Und mir erzählt, er habe jemanden kennengelernt, eine Frau.«
»Eine weiße Frau«, sagte Raylan.
»Hat er so nicht gesagt, aber ich wusste es trotzdem. Er hätte dazu nur gesagt: ›Macht doch keinen Unterschied, ich treffe diese Person hin und wieder, heiraten werde ich sie nicht.‹ Er sprach immer nur von ›dieser Person‹. Wenn wir uns trafen, servierte ich Martinis oder Daiquiris oder packte Eis in den Shaker und goss Bourbon drauf, streute ein bisschen Zucker drüber... Und er lässt mich sitzen. Ich konnte es nicht fassen.«
»Kann ich auch nicht«, sagte Raylan. »Fiel seine Kündigung ungefähr in diese Zeit?«
»Er kündigte nicht, er verschwand.«
»Habe ich Ihnen schon gesagt, dass er Nieren verkauft?«
»Das glaube ich nicht.«
»Für zehntausend das Stück.«
»Wirklich?«
»Bis jetzt drei Mal, jeweils mit Unterstützung.«
»Sie meinen, das Mädchen?«
»Ich glaube, sie arbeitet hier am UK Medical.«
»Eine
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