Rebecca
flüsterte sie. »Es tut mir leid.«
Er zitterte leicht. Rebecca legte ihm die Hand auf den Kopf und band ihm einen Strick um den Hals. Sie wusste, dass er nicht ohne Weiteres mitgehen würde, und er war sehr stark. Sie hielt ihn am Kopf fest, als Rob und der Händler in den Stall kamen. Der Händler hätte Harry am liebsten ohne viel Federlesens an einem Hinterbein gepackt, eine Methode, mit der man ein Schaf dazu bringt, in panischer Angst auf drei Beinen vor einem her zu flüchten, man brauchte es nur noch in die richtige Richtung zu lenken. Doch sie schafften es auch so, Harry aus dem Stall hinauszukriegen, und Rebecca versuchte, ihn das restliche Stück an dem Strick mitzuziehen. Das funktionierte jedoch überhaupt nicht, denn Harry drehte völlig durch. Er zerrte an dem Strick, bis er fast erstickte, und Rebecca musste ihn loslassen. Der Händler verlor die Geduld, packte Harry an einem Hinterbein und der Widder floh stolpernd und fallend vor ihnen her. Rebecca brach es fast das Herz, als sie ihn mit Gewalt in den Viehtransporter zwangen und die Klappe schlossen.
»Vergessen Sie nicht, was Sie mir versprochen haben«, sagte Rebecca, als sie schwitzend neben dem Händler stand.
Der Mann nickte. »Rufen Sie mich Ende der Woche mal an.«
»Weswegen?«, fragte Rob.
»Ihre Schwester möchte wissen, wo die Tiere hinkommen«, erklärte der Händler.
Rob runzelte die Stirn. »Warum denn?«
»Einfach nur so«, antwortete sie.
Der Händler wischte sich mit seinem roten Taschentuch über die Stirn, ging zur Kabine und nahm ein dickes, abgegriffenes Portmonee vom Vordersitz. »Wer von Ihnen kriegt das Geld?«
Rebecca dachte an die Silberlinge. »Mein Bruder«, sagte sie, nickte dem Händler zu und flüchtete um den Transporter herum. Zwischen den Latten hindurch konnte sie ihre Schafe sehen. Zwei der Mutterschafe lagen ganz ruhig da und käuten wieder, als hätten sie sie schon vergessen, nur Harry schaute sie an. Doch alles, was sie in seinen Augen zu erkennen glaubte, war nur Einbildung. Dann wandte er den Kopf ab und schnüffelte an einem Mutterschaf.
Rebecca schlüpfte aus ihren Holzschuhen, zog ihre Lederhausschuhe an und wusch sich Hände und Gesicht am Waschbecken in der Tenne, bevor sie hineinging. Dennis saß am Tischende auf Roleofs Stuhl. Er hatte ihn ein Stück zurückgeschoben und ließ ein Bein über die Armlehne baumeln.
»Und, hat’s geklappt mit den Viechern?«, fragte er.
Er hatte nicht mitgeholfen. Sie hatte seine Abwesenheit als ein Zeichen von Feingefühl interpretiert, aber jetzt begriff sie, dass ihm das Ganze völlig gleichgültig war. Sie wurde wütend, wegen seines Tonfalls und wegen der Art, wie er dasaß und vor allem wo. »Du sitzt auf Suzans Platz«, sagte sie.
»Ach ja?« Er grinste herausfordernd. »Ich wusste gar nicht, dass wir hier feste Plätze haben.«
»In jeder Familie gibt es feste Plätze. Dieser Stuhl hat meinem Vater gehört.«
Dennis starrte sie mit einem eigenartig stechenden Blick an. Sie fragte sich, wie sie seine eiskalten blauen Augen je hatte attraktiv finden können. »Ach ja, dein Vater«, sagte er. »Der Stuhl ist sehr bequem. Bin ich etwa nicht gut genug dafür?«
Nein, dachte sie. Sie hörte die Tür aufgehen und sagte feige: »Darum geht es nicht.«
»Worum geht es nicht?«, fragte Rob.
Sie drehte sich um. Ihr Bruder wünschte sich ein Leben ohne Probleme und voller Sonnenschein. Das konnte sie durchaus verstehen. Er nahm tausend neue Aufgaben in Angriff und beschäftigte sich von früh bis spät, um seine Trauer irgendwo zu vergraben, wo sie nicht so wehtat.
»Becky meint, ich dürfe hier nicht sitzen«, erklärte Dennis spöttisch. Becky. »Aber ich bin einfach völlig erschlagen und habe mich auf den nächstbesten Stuhl fallen lassen.«
Rob sah seine Schwester stirnrunzelnd an. Er wusste genau, was sie eigentlich störte, aber was war denn schon so schlimm daran, wenn sein Partner sich versehentlich in den Stuhl ihres Vaters setzte, um sich ein bisschen zu erholen? Sie hatten den halben Vormittag geschuftet, den Schutt der herausgebrochenen Stallmauer in kleinere Stücke zerschlagen, auf den Anhänger geladen und zu Keesing nach Gellicum gebracht. Alle Bauern konnten Schutt gebrauchen, mit dem sie ihre Höfe und Einfahrten befestigten, jedenfalls wenn er fein genug zerkleinert war. Das war die schwerste Arbeit gewesen, abwechselnd hatten sie den großen Vorschlaghammer geschwungen.
»Bleib ruhig sitzen.« Rob klopfte Dennis auf die Schulter,
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