Rebecca
Gold schimmert einem entgegen. Roleof Welmoed. Reinout Barends. Dennis Galman.
Die Witwe wohnte in einem Reihenhaus mit kleinem Garten und Gardinen vor den Fenstern in einem Viertel namens Bilgaard, das im nördlichen Teil Leeuwardens lag. Die Gardinen wurden beiseite geschoben und fielen wieder zurück, als ich aus dem Auto stieg.
Sie war sehr klein, kaum einen Meter fünfzig, und sehr mager, als gönne ihr geschäftiger Verstand dem Körper keine Zeit, die Nahrung in Fett und Muskeln umzuwandeln. Sie musste etwas über sechzig sein, eine graue Minifrau mit konservativem Kleid, neugierigem Gesicht und geschwätzigem Mundwerk in einer Gegend, in der nie etwas passierte.
Sie hatte schon Tee gekocht und Kekse bereitgestellt. Das Haus roch nach Bohnerwachs und Katze und an den Wänden hingen gestickte Sinnsprüche. Sie fragte, wer ich sei und warum nach so langer Zeit noch Ermittlungen angestellt würden. Ich redete um den heißen Brei herum und zeigte ihr meinen Meulendijk-Ausweis. Doch schon bald hatte ich den Eindruck, dass es ihr völlig egal war, weshalb ich gekommen war. Sie freute sich einfach über Besuch, selbst wenn ich ihr ein Zeitungsabonnement hätte aufschwatzen wollen, solange sie nichts kaufen musste und für ein Stündchen ihren ganzen Klatsch loswerden konnte. In ihrem Sessel – dessen Beine um zehn Zentimeter abgesägt waren, damit sie mit den Füßen auf den Boden kam – erging sie sich zunächst in ausgedehntem Wehklagen über das schreckliche Schicksal, das den armen Reinout Barends ereilt hatte, den besten Freund ihres Mannes, er ruhe in Frieden. Und da ich völlig ihrer Meinung war und obendrein den Tee einfach köstlich fand, durfte ich sie Saekeltsje nennen, ein friesischer Name, den ich irgendwie passend für sie fand. Schwatzhaftes Saekeltsje. »Diese junge Frau war von Anfang an nichts für ihn«, befand sie schließlich, völlig zusammenhanglos.
»Meinen Sie Anke?«, fragte ich.
Sie verzog säuerlich den Mund. »Ein billiges Flittchen, glauben Sie mir. Jeder junge Mann mit einem Auto kriegte sie irgendwann auf seinem Rücksitz rum.«
»Waren Sie auf der Hochzeit?«
»Natürlich, wir konnten nicht anders, schließlich war Gertjan mit Reinout befreundet. Reinout hätte ihn gern als Trauzeugen gehabt, aber das habe ich verhindert. Mein Mann dachte genauso über dieses Flittchen wie ich, aber natürlich traute er sich nicht, etwas zu sagen, also musste ich es wohl oder übel tun.«
Saekeltsje schaute mich an, als erwarte sie im Nachhinein noch einen Orden von mir für den gottesfürchtigen Ingrimm, den sie über die arme Braut hatte niedergehen lassen, wenn sie es denn wirklich getan hatte, denn solche Heldentaten haben die Eigenschaft, in der Erinnerung größer und dramatischer zu werden, als sie es in Wirklichkeit waren. Der Name Saekeltsje kam von Sake, Kämpfer für das Recht, zu Zeiten, als Wotan und Donar noch in den germanischen Wäldern hausten. Ich nickte mitfühlend und sagte fromm: »Ja, mir kam es auch schon so vor, als habe sie nicht viel getaugt.«
»Keinen Deut. Sie hat den armen Reinout nur ausgenutzt und auf der Hochzeit waren mindestens vier oder fünf Männer, die ihr schon mal unter den Rock gegriffen hatten.« Ich liebe solche angestaubten Beschreibungen und das, was meist dazugehört: die Prise Neid, die durch die Abneigung in ihrem Gesicht hindurchschimmerte und sie verriet. Nur allzu wenige junge Männer hatten wohl versucht, das kleine, flachbrüstige Saekeltsje in den Heuschober zu locken, und Gertjan war womöglich auch kein Adonis gewesen und hatte obendrein nicht viel zu sagen gehabt. Jetzt waren ihr nur das sorgsam gebohnerte Haus, die Gardinen und der Nachbarschaftsklatsch geblieben. »Ich habe ihr Bescheid gesagt«, verkündete sie. »Und zwar ordentlich.«
»Und, hat das geholfen?«
Wieder spitzte sie die Lippen. »Ach, sie hat das wohl kaum interessiert, aber die meisten Männer hier sind noch so anständig, die Finger von einer verheirateten Frau zu lassen. Allerdings darf man natürlich nicht den Bock zum Gärtner machen.«
»Was meinen Sie denn damit?«
»Dieser junge Mann wohnte während seines Praktikums bei ihnen.«
»Als Rangierer?«
»Ja. Nach der Ausbildung werden die jungen Leute ein halbes Jahr von einem erfahrenen Rangierer begleitet. Meistens wohnen sie irgendwo zur Untermiete und Reinout konnte wohl das Geld gut gebrauchen und hat den jungen Mann bei sich aufgenommen.«
»War Ihr Mann auch Rangierer?«
Sie wirkte einen
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