Rebecca
wegzuwischen. »Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört«, sagte sie. »Dieser miese Typ dagegen pflanzt Bäume und ist schon zum zweiten Mal verheiratet, nette Familie, schönes Haus in der Betuwe, alles in bester Ordnung.« Es war, als spucke sie etwas Unsichtbares aus. »Und meine geliebte Schwester ist wie vom Erdboden verschluckt. Die soll es mal wagen, mir noch einmal unter die Augen zu kommen!«
Entweder sie wusste nicht, was Dennis tat, oder sie log. »Weil sie ihr Baby bei Ihnen zurückgelassen hat?«
Frauke erstarrte. Sie öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, und umklammerte die Lehnen ihres Rattansessels, als wolle sie aufspringen. Sie tat weder das eine noch das andere. Sie nahm mein Glas, trank es aus und räusperte sich. »Max, und wie weiter?«, fragte sie. »Was willst du eigentlich von mir?«
»Ich bin auf der Suche nach Douwe«, sagte ich.
Sie schnappte nach Luft. »Will Reinout ihn etwa sehen?«
»Nein, Reinout weiß von nichts.« Ich beschloss, dass die knallharte Melodrama-Masche am besten ziehen würde. »Aber seine Freunde möchten gerne wissen, was aus dem Jungen geworden ist.«
»Welche Freunde?«
Ich lavierte geschickt um eine direkte Antwort herum. »Du hast doch Sjoerd Tuinman gekannt und vielleicht auch Gerben, der pflegt Reinout schon seit zehn Jahren.«
»Einen Gerben kenne ich nicht, aber Sjoerd ist ein guter Freund von Reinout.« Sie runzelte die Stirn. »Was hat er vor?«
»Mach dir keine Sorgen, sie werden ihn schon nicht damit überfallen. Reinout glaubt bis heute, sein Sohn sei bei Anke. Er hat alle beide abgeschrieben und will nicht, dass nach Douwe gesucht wird.«
»Ja, das haben wir so abgesprochen«, sagte Frauke.
»Du und Reinout?«
Sie nickte. »Anfangs habe ich ihn hin und wieder besucht, da konnte er noch einigermaßen sprechen. Wir waren uns einig, dass es das Beste sei.«
»Douwe in dem Glauben zu lassen, sein Vater sei tot?«
Sie biss die Zähne zusammen. »Das war Reinouts Wunsch und ich habe ihn respektiert. Was will so ein junger Mann mit einem sabbernden Wrack, das kein vernünftiges Wort mehr herausbringt? Ihm die Windeln wechseln?« Sie schaute mich herausfordernd an, aber sie klang eher verzweifelt.
»Ich verstehe das ja«, sagte ich versöhnlich.
»Ja, aber was will Sjoerd denn dann?«
»Tja.« Ich seufzte und spann an meinem Melodrama. »Reinout hat nicht mehr lange zu leben«, begann ich. »Es geht immer weiter mit ihm bergab. Er ist ein sehr dickköpfiger Mensch, aber seine Freunde glauben, er würde vielleicht ruhiger und zufriedener sterben, wenn sie ihm in seinen letzten Tagen von seinem Sohn erzählen könnten und dass es ihm gut geht.«
»O Gott«, sagte sie, mit Tränen in den Augen und zitternder Unterlippe. »Ich bin mir gar nicht so sicher, dass es ihm gut geht.«
»Aber Sie haben doch den Kontakt zu ihm aufrechterhalten?«
Sie schüttelte den Kopf und fing an zu weinen, versuchte aber, sich hier in der Öffentlichkeit zusammenzureißen. Ihr Stuhl schabte über die Fliesen, als sie ihn in Richtung Seitenstraße drehte. Ich setzte mich auf den freien Stuhl neben ihr und bot ihr mein sauberes Taschentuch an. Sie riss es mir aus der Hand. »So ein kleines Würmchen«, flüsterte sie. »Ich hatte Angst, ich könnte ihn fallen lassen.«
»Du konntest ihn nicht bei dir behalten«, stellte ich fest.
Frauke tupfte sich die Augen ab. »Eines Tages stand sie plötzlich vor der Tür, mit dem Baby auf dem Arm und einer Plastiktüte mit Anziehsachen und Windeln in der Hand. Ich hatte sie seit zwei Jahren nicht gesehen, ich wusste von nichts. Sie gab ihn mir in die Arme, da war er ungefähr einen Monat alt. Sie hatte ihn nicht mal gestillt, aus Angst um ihre schönen Titten. Sie wollte gar nicht erst reinkommen. Wissen Sie, was sie gesagt hat?«
Eine Spur von Hysterie schlich sich in ihre Stimme und ich tätschelte ihr den Arm. »Seht, ist ja gut.«
»Sie sagte zu mir: ›Du wolltest ihn doch immer so unbedingt, du kannst ihn haben. Er sitzt jetzt im Rollstuhl. Und sein Kind kannst du auch haben.‹ Und dann ging sie einfach. Ich konnte sie nicht zurückhalten, ich stand mit dem Baby im Arm draußen auf der Galerie, umgeben von Nachbarn. Sie stieg zu einem Mann in einen schwarzen Jaguar. Sie ist einfach weggefahren, ohne noch einmal zurückzuschauen.« Frauke knüllte mein Taschentuch zusammen.
»Soll ich dir noch was zu trinken holen?«
»Nein, danke.« Sie schnäuzte sich die Nase. »Oder doch, ein Glas Wasser vielleicht. Es geht
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