Rebecca
schon wieder.«
Ich ließ sie allein und betrat das Lokal. Es war ziemlich düster.
»Eine aufregende Unterhaltung«, bemerkte die Bedienung, während sie ein Bierglas unter den Wasserhahn hielt. »Sind Sie Sozialarbeiter?«
»Nein, ein Freund. Bitte geben Sie mir auch ein Glas.«
»Daran verdienen wir aber nichts.«
»Ich revanchiere mich schon.«
Die Bedienung nickte. »Sie kommt oft hierher, meist steht sie an der Theke.« Sie musterte mich. »Frauke kann wahrhaftig einen Freund gebrauchen.«
Ich lächelte nur und nahm die Gläser mit auf die Terrasse. Frauke hatte einen kleinen Spiegel aus ihrer Handtasche geholt und schaute stirnrunzelnd hinein. Sie zuckte mit den Schultern, steckte den Spiegel wieder ein und trank einen Schluck Wasser. Sie war jetzt ruhiger. Erleichtert. Vielleicht war ich der Einzige, dem sie einmal alles erzählen konnte, denn ich vermutete, dass Dennis nur eine verdrehte Version der ganzen Geschichte kannte.
»Douwe«, sagte sie. »Ich weiß nicht mal, wie sie auf den Namen gekommen war, niemand von uns heißt so und von Reinouts Familie auch keiner. Sie fragte nicht, wie es mir ging und ob ich überhaupt in der Lage war, ihn großzuziehen. Ich gab ihm Fläschchen und Gläschen und Schnuller, aber er weinte ununterbrochen. Damals lebte ich mit einem Mann zusammen, eine furchtbare Geschichte, ich habe selbst getrunken und konnte die ganze Situation kaum bewältigen, aber Sjef war ein schwerer Alkoholiker und hatte gerade seinen Job verloren. Er hasste das Baby und wurde schier verrückt von dem Geschrei. Ich hätte ihn nicht mit dem Kind allein lassen dürfen, aber ich musste ja nun mal ins Geschäft. Die Nachbarn riefen die Polizei, schon nach ein paar Tagen. Die Leute vom Jugendamt haben Douwe sofort mitgenommen, sie brauchten nur einen Blick in meine Wohnung zu werfen.« Sie umklammerte mein Handgelenk. »Es brach mir das Herz«, sagte sie. »Aber es war besser so. Sie fanden Pflegeeltern für ihn und dieses Ehepaar hat ihn dann auch adoptiert. Ich habe die Freigabe zur Adoption unterschrieben, Reinout lag ja im Koma und ich war die einzige Verwandte.«
»Aber man hat doch bestimmt versucht, Anke zu finden?«
»Ja, natürlich. Man hat herausgefunden, dass sie noch am selben Tag nach Buenos Aires geflogen ist, möglicherweise in Begleitung irgendeines Baulöwen, aber das ist nicht ganz sicher. Man hat auch versucht, sie da drüben ausfindig zu machen, aber sie ist nie wieder aufgetaucht. Sie könnte überall sein.«
Frauke hatte ihrem Neffen offenbar kein Detail verschwiegen und Dennis hatte die einzelnen Elemente seiner Geschichte recycelt, als zynischen Witz oder aus dem merkwürdigen Bedürfnis heraus, Gegenwart und Vergangenheit miteinander zu verknüpfen, um Roelof an den Ort seiner Hinrichtung zu locken. Ein Baulöwe, der noch am selben Abend nach Buenos Aires fliegen musste. Aber das bewies noch gar nichts. So etwas kommt manchmal vor, man ist sich hundertprozentig sicher, wer was getan hat, und jetzt wusste ich ja auch warum, aber das waren und blieben alles nur Schlussfolgerungen. Ein Richter würde das Motiv sicher plausibel finden, aber ohne Mordwaffe, Zeugen, Fingerabdrücke konnte er niemanden verurteilen. »Aber mit diesem Roelof ist sie jedenfalls nicht durchgebrannt?«, fragte ich.
»Nein, das habe ich ja schon gesagt. Der hat eine kleine Familie …«
»Wie bist du an seine Adresse gekommen?«
»Durch die Bahn natürlich. Er wohnte damals schon in Rumpt.«
Natürlich. Und von dort aus brauchte sie Roelof einfach nur zu verfolgen und zu beobachten. »Warum hat dich das überhaupt interessiert?«
Sie lachte spöttisch. »Warum?« Sie schaute mir geradewegs ins Gesicht. Ich sah viel alten Hass. »Dieser Kerl hat mein Leben zerstört und alles kaputtgemacht«, sagte sie. »Du hast es doch gehört, Reinout hat es selbst gesagt. Er hätte mich heiraten sollen. Und das hätte er auch, ich hätte nur lange genug warten müssen, die Ehe war längst zerrüttet. Aber dann kam der schöne Roelof und sie gingen miteinander ins Bett und der Kerl war dumm genug, sich Illusionen zu machen, und er stieß Reinout vor den Zug, um sie für sich allein zu haben. Ich hätte ihn am liebsten umgebracht.«
»Roelof?«
»Wen denn sonst? Ich wusste nur nicht, wie ich es anstellen sollte.« Wieder packte sie mich am Handgelenk. »Das bleibt aber unter uns!«
»Natürlich.«
»Ich habe mich einmal erkundigt …« Sie zuckte mit den Schultern. »Ist ja egal. Irgendjemand kannte einen
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