Rebecca
Terrasse. Lukas kam heraus und bellte Dennis wütend an. Rob scheuchte ihn weg. Der Hund gehorchte knurrend.
»Er bellt oft Fremde an«, behauptete Rebecca und ignorierte Robs hochgezogene Augenbraue. »Er wird sich schon an dich gewöhnen.«
»Vielleicht muss ich mich eher an ihn gewöhnen. Ich liebe Tiere, habe aber nie einen Hund gehabt.« Dennis folgte Rob die Terrasse hinunter.
Rebecca ging hinter ihnen her. »Hier hast du alles«, sagte sie. »Schafe, Hühner und einen Hund.«
Und eine Familie, dachte sie zufrieden. Es sollte zwar nur für eine Übergangszeit sein, aber wer weiß, was bis dahin alles passiert. Dennis lief an Robs Seite vor ihr her und sie blickte auf seinen Rücken und sein honigblondes Haar, während sie hinter ihm her an den blühenden Weigelien vorbei auf das kleine Tor zuging, das zur Schafweide führte. Dort blieb sie stehen. Sie roch den Abend. Die Sonne war bereits untergegangen. Die Schafe und die älteren Lämmer lagen in der Dämmerung vor dem Stall und käuten wieder. Katrien war drinnen in ihrer eigenen Box, zusammen mit ihren Zwillingen.
Dennis und ihr Bruder überquerten die Weide bis zum hintersten Winkel, der zu den Nachbarn hin von dem langen, zwei Meter hohen Holzstapel abgegrenzt wurde. Das Holz stammte von einer alten Obstplantage, die Rob und Roelof roden geholfen hatten. Am Achterweg entlang zogen sich eine Hecke und der trockene Graben. Sie gingen zum Deichtor in der Hecke und unterhielten sich dort unter den großen Pappeln weiter.
Rebecca schaute zu ihnen hinüber und musste innerlich über sich selbst lachen. Über den kitschigen Gedanken, der ihr eben durch den Kopf gegangen war, dass sich nach dem furchtbaren Erlebnis alles zum Guten wendete, wie in dem Sprichwort: Nach Regen kommt Sonnenschein. Diese Art von Betrachtung würde in der Schule für kräftigen Spott sorgen.
5
Der Fluss glich einem chinesischen Gemälde. Nebelschleier, so zart wie Zigarettenrauch, schwebten über dem Wasser, schwarze Teichhühner hoben sich vor dem pastellfarbenen Hintergrund ab, es herrschte eine unwirkliche Stille. An den Stegen und im Schilf lagen bereits einige Boote, aber die Eigentümer waren nicht da oder schliefen noch, sie hörte keinen Laut.
Das war die schönste Zeit des Tages.
Wenn sie hier entlangfuhr, dachte Rebecca oft an jenen Morgen im letzten Winter zurück, an dem ihr Vater ohne ersichtlichen Grund ein Stück mit ihr gefahren war. Hinter den letzten Häusern, mitten auf dem Langendeich, hatte er plötzlich gesagt: »Halt mal kurz an!«
Sie war überrascht gewesen. Roelof hatte ihr Fahrrad genommen und es neben seines an den Straßenrand gelegt. Sie erinnerte sich an jedes Wort, weil ihr Vater so ungewöhnlich feierlich geklungen hatte.
Sie hatte seinen weißen Atem und seine vereisten Augenbrauen unter der Wollmütze angeschaut. Die Stille machte sie unsicher und sie knetete ihre Finger in den Strickfäustlingen. »Was ist denn los?«
Er zögerte und fragte dann: »Wie geht es dir?«
Rebecca kicherte nervös. »Gut«, sagte sie.
Ihr wurde die Situation allmählich unangenehm. Wollte er ihr eine Predigt über Drogen halten, weil er sie und Rob gestern Abend im Anbau erwischt hatte, wie sie einen Stick geraucht hatten? Er war in der Tür stehen geblieben, hatte »Verdammt!« gemurmelt und war sofort wieder gegangen, als habe er nicht recht gewusst, was er dazu sagen sollte. »Ich nehme keine Drogen«, sagte Rebecca. »Und Rob auch nicht. So dumm sind wir wirklich nicht.«
»Das weiß ich doch.«
Sie betrachteten ihre Atemwolken. Rebecca merkte, dass sie die Hände übereinander gelegt hatte, als halte sie etwas darin gefangen, einen jungen Sperling oder ihre Zukunft, die wegfliegen würde, sobald sie die Hände öffnete.
»Wir reden doch eigentlich nie richtig miteinander«, sagte Roelof. »Ich weiß nicht, ob du glücklich oder unglücklich bist. Ich habe dich damals nicht einmal gefragt, ob du mit dem Umzug einverstanden bist. Und mit dem Haus und den Schulden.«
»Mach dir keine Sorgen«, sagte sie.
Ihre Hände wurden immer kälter und sie vergaß den Vogel und blies in ihre Handschuhe. Er wollte also nicht über Drogen reden.
»Oder dass ich Suzan geheiratet habe.«
»Ich war erst dreizehn«, wandte Rebecca ein. »Was hätte ich denn sagen sollen? Es ist dein Leben.«
»Sie hat den Platz einer anderen eingenommen.«
»Ich war froh, dass wir umgezogen sind«, sagte Rebecca.
»Vermisst du deine Mutter?«
Sie sah, wie unsicher er war,
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