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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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und wurde selbst verlegen. »Manchmal«, antwortete sie. »Aber wir haben ja Suzan.«
    Er blickte auf den Fluss. »Sie hat es schwer gehabt im Leben«, sagte er dann.
    »Weiß ich. Deswegen hat sie sich scheiden lassen.«
    Er nickte, wollte aber nicht weiter darüber reden, und sie auch nicht. Nach der Hochzeit hatte Suzan ihr und Rob das ein oder andere erzählt, aber auf dem Standesamt hatten sie zum ersten Mal erfahren, dass Suzan bereits einmal verheiratet gewesen war. An den Namen ihres ersten Mannes konnte Rebecca sich nicht erinnern. Zur Hochzeit waren nur zwei Verwandte von Suzan erschienen, ihre Mutter, eine grauhaarige Dame, die die ganze Zeit mit Tränen in den Augen Roelof anschaute, und Suzans freundliche ältere Schwester Els, die als Sekretärin bei einem Notar arbeitete.
    Rebecca stampfte mit den Füßen auf. Atie wartete auf sie, und sie wusste nicht, was ihr Vater von ihr hören wollte.
    »Wir haben es doch gut«, sagte sie. »Wir kriegen das schon alles hin.«
    »Ab und zu muss man mal innehalten«, sagte er daraufhin. »So wie jetzt. Das wollte ich dir eigentlich nur mal sagen.«
    »Innehalten?«
    Er nickte ernst. »Auch wenn es kalt ist.«
    »Ich erfriere.«
    »Wer sind wir denn schon? Immer nur Hektik, nie Zeit für irgendetwas. Alles ist dringend. Manchmal vergisst man, was man da eigentlich macht, und dann muss man sich selbst an der Schulter fassen und sagen: Jetzt bleib doch mal stehen und schau dich um! Es gibt nichts Schöneres, nichts Besseres. Deswegen sind wir hierher gezogen. Der Hof gehört uns und niemand kann ihn uns wegnehmen. Bald kehren die Schwalben zurück. Sie sind fünftausend Kilometer weit geflogen und wissen genau, wo ihr Nest ist, nämlich bei uns auf dem Balken unter dem Ried. Alles hat einen Sinn. Das wollte ich dir nur sagen.«
    Er nahm sie an den Schultern und drehte sie zum Fluss. Das Einzige, was sich an dem Bild veränderte, war, dass es heller zu werden schien. Rebecca folgte dem Blick ihres Vaters zur hauchdünnen Eisdecke auf dem reglosen Wasser und zu den tintenschwarzen Umrissen der Weidenzweige über dem Schilf. Das Gras am anderen Ufer war weiß bereift. Darüber wallte der Dunst, milchblau und pastellrosa, ein wunderschöner, unglaublich friedlicher Anblick. Rebecca spürte, dass sie etwas betrachtete, das schon immer da gewesen war, aber nur selten wahrgenommen wurde. Manchmal fand man keine Worte, um die Tiefe eines Gefühls zu beschreiben. Vielleicht war ihr Vater so weise und so schwer zu verstehen, weil er so viel Zeit draußen im Freien verbrachte. Ihre Augen fingen an zu tränen, wohl von der Kälte, und dann nahm Roelof sein Fahrrad und fuhr zurück nach Hause.
    Rebecca sah ihm nach und liebte ihren Vater.
    Sie hatte keine Angst, auch nicht als sie an der kleinen Wassermühle vorbeikam und an der Stelle, wo der Mann sie vom Deich gezerrt hatte. Auch ohne abzusteigen sah sie die Spuren, Schleifspuren, umgewühlte Grassoden, sie hatte Glück im Unglück gehabt. Sie bremste erst, als sie das Wohnmobil sah, und schaute hinüber, mit einem Fuß auf dem Deich abgestützt. Das mit der Front zum Wasser geparkte Gefährt sah alt aus. Ein Fahrrad war daran angelehnt. Kleine Fenster mit Gardinen und auf dem Grasstück davor ein Tisch und einige Klappstühle. Sie glaubte, Stimmen zu hören, vielleicht besaß Dennis ein Radio, aber das Geräusch wurde vom Motorenlärm eines Traktors übertönt, der beim Veldhuis-Bauernhof angelassen wurde. Was er wohl gerade machte? Frühstück zubereiten, Tee kochen, alles für den Umzug vorbereiten. Wo bekam er Wasser her? Vielleicht hatte er einen Tank über dem Wasserhahn, den er immer wieder nachfüllen musste. Vielleicht konnten sie einen Schlauch über die Schafweide bis zu ihm legen.
    Sie fuhr weiter.
    Atie stand ausnahmsweise schon auf dem Deich und wartete auf sie, gepflegt und geschminkt wie immer, in einem rot karierten Rock und einer schwarzen Bluse mit Dreiviertelärmeln und tiefem Ausschnitt, einem Campus-Girl-Ensemble, das sie Trend Nummer drei nannte.
    »Das muss ich mir im Kalender rot anstreichen«, sagte Rebecca.
    Atie schaute sie an. »Ich wollte dich nicht warten lassen. Du siehst immer noch ein bisschen mitgenommen aus.« Sie warf einen Blick auf Rebeccas Jeans. »Wie geht es deinem Bein?«
    »Es zieht noch ein bisschen, das ist alles. Ich bin ja ganz gerührt von deiner Fürsorglichkeit.«
    »Ich auch.« Atie lachte. »Und, ist er zum Essen gekommen?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Willst du wissen, was es

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