Rebecca
zusammen, als sie daran dachte, dass es nur einen einzigen triftigen Grund dafür geben konnte, warum ihr Vater so lange in der Kneipe blieb: Bestimmt hatte er den Auftrag nicht bekommen und konnte wieder einmal seinen Traum nicht verwirklichen. Das wäre ein harter Schlag für ihn. Er würde sich kaum nach Hause trauen.
»Vielleicht sollten wir ihn abholen.« Rob sprach nicht aus, was alle dachten, nämlich dass Roelof um diese Zeit zu betrunken sein musste, um noch Auto zu fahren. »Was hat er sonst noch gesagt? Wie ist dieser Kunde auf ihn gekommen?«
»Ich glaube, dass van Beek ihn empfohlen hat«, meinte Suzan.
Rob drehte sich sofort zum Telefon um. Die Nummer stand in der Kladde.
»Es ist schon ganz schön spät«, wandte Rebecca ein.
»Aber morgen ist Sonntag, da muss er ja nicht um sieben Uhr raus.« Rob lächelte in den Hörer. »Guten Abend, Mevrouw, hier ist Rob Welmoed, könnte ich bitte Ihren Mann sprechen?« Er sah schuldbewusst auf die Uhr. »Ja, ich weiß, Mevrouw, bitte entschuldigen Sie.« Er deckte den Hörer ab: »Er ist schon raufgegangen, wollte gerade ins Bett.«
Er drückte die Lautsprechertaste, als Thijs van Beek vor sich hin schimpfend ans Telefon kam.
»Entschuldigung, aber ich suche meinen Vater …«, sagte Rob.
»Da kann ich dir leider nicht helfen.«
»Er hatte eine Verabredung mit einem Kunden. Ich weiß nicht, wer es ist. Haben Sie ihn vielleicht jemandem empfohlen?«
»Nicht dass ich wüsste. Was für ein Kunde soll das sein?«
»Er will einen Garten für eine Neubauvilla anlegen«, sagte Rob.
»Davon weiß ich nichts, aber wir könnten durchaus auch Aufträge gebrauchen. Will er mir etwa ins Gehege kommen?«
»Nein, er wollte ja nur etwas besprechen«, antwortete Rob ausweichend. »Er hätte aber schon längst zu Hause sein müssen.«
»De Blom hat samstags bis zwei Uhr geöffnet«, sagte van Beek. »Ich würde da mal nachfragen. Gute Nacht.«
Rob legte auf und schaute Suzan an. »War das mit van Beek deine Idee?«
»Ja. Thijs ist jetzt vielleicht ein bisschen verschnupft, aber bestimmt hat er Verständnis für deinen Vater.«
»Er dachte wohl genau wie ich, dass es immer nur beim Pläneschmieden bleiben würde.« Rob suchte im Telefonbuch die Nummer der Kneipe in Geldermalsen heraus, aber dort hatte man Roelof das letzte Mal am Mittwoch gesehen, als er zusammen mit einem Kollegen aus der Gärtnerei einen Schnaps getrunken hatte.
»So hat das keinen Sinn«, sagte Rob. »Der Garten könnte genauso gut in Culemborg liegen oder in Tiel.« Er schaute Rebecca vorwurfsvoll an. »Du hättest ihn wenigstens fragen können, wo er verabredet war.«
»Hinterher weiß man immer alles besser«, antwortete Rebecca spitz.
Suzan stand auf. »Jetzt streitet euch doch nicht …«
Blaulicht blinkte vor den Fenstern und Suzan blieb stocksteif stehen. Ein dunkler Polizeikleinbus hielt vor der Haustür.
»Mist!«, sagte Rob. »Sie bringen ihn betrunken nach Hause. Ich mach schon auf.«
Er eilte durchs Wohnzimmer. Sie hörten Türen schlagen. Der Klopfer hämmerte gegen die Eingangstür. Rebecca presste ihr Gesicht an die Scheibe. Das Außenlicht ging an und sie sah Polizisten in Uniform, aber keinen Roelof. Sie folgte Suzan. Ihre Beine fühlten sich plötzlich bleischwer an.
Es waren ein älterer Beamter und die Polizistin, die zu ihr ins Zimmer gekommen war, Ria Hamel. »Sind Sie der Sohn?«, fragte sie Rob und dann sah sie Suzan hinter ihm im Flur stehen. »Guten Abend, Mevrouw.«
»Wir haben schlechte Nachrichten«, sagte der ältere Beamte.
Suzan erbleichte. »Wo ist er?«, fragte sie.
»Dürfen wir hereinkommen?«
Er schläft seinen Rausch in einer Zelle aus. Er hat einen Auffahrunfall verursacht, ist leicht verletzt. Er sitzt im Fond, helfen Sie ihm bitte beim Aussteigen. Aber dann würden sie nicht hereinkommen wollen. Rebecca hatte zu lange den Atem angehalten und stieß ihn jetzt aus. Sie schnappte nach Luft. Das Wohnzimmer füllte sich mit Leuten.
»Bitte setzen Sie sich, Mevrouw«, sagte der ältere Beamte.
»Nein«, erwiderte Suzan. Ihre Stimme zitterte. Rob war leichenblass. »Wo ist mein Mann?«, fragte Suzan.
»Er ist tot«, sagte der Polizist. »Mein Beileid …«
Suzan gab einen Laut von sich wie ein verwundetes Tier und floh aus dem Zimmer. Die Polizistin rannte hinter ihr her. Rebecca fühlte den Boden unter ihren Füßen Wellen schlagen wie bei einem Erdbeben. Sie fiel bäuchlings auf das Sofa, griff nach einem Kissen und zog es sich über den Kopf.
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