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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Tot. Rob ging vor dem Sofa auf die Knie und begrub sein Gesicht in ihrem Rücken. Sie war unfähig, sich zu bewegen. Suzan weinte im Wirtschaftsraum. Dazwischen erklang die beruhigende Stimme der Polizistin.
    Der Polizist war mitten im Raum stehen geblieben. Rob hob den Kopf. Seine Stimme klang fremd. »Was ist passiert?«
    Der Polizist nickte Rebecca zu und wies mit einer Kopfbewegung zum Flur. »Bitte kommen Sie einen Augenblick mit mir.«
    Rob hielt seine Schwester im Arm. »Ich kann sie jetzt nicht allein lassen.«
    »Du musst tapfer sein«, sagte der Polizist väterlich. Er war alt genug, um einen Sohn in Robs Alter zu haben. »Du bist jetzt der Mann im Haus.« Er sah ein, dass Rob nicht mitkommen würde, und sein Uniformkoppel knarzte, als er auf dem langen Tisch gegenüber dem Sofa Platz nahm. »Hältst du es aus?«
    »Nein«, sagte Rob.
    Er weinte nicht. Konnte nicht weinen. Es war zu groß, unendlich viel größer als jede andere Art von Enttäuschung oder Kummer, die ihn sonst so leicht zu Tränen rührten. Der Mann im Haus. Er dachte an seinen Vater und biss sich auf die Lippen. Sein Vater erwartete von ihm, dass er erwachsen wurde, von einem Moment auf den anderen.
    Der Polizist beobachtete Rob ganz genau, er wusste, dass diese äußerliche Selbstbeherrschung jederzeit in Hysterie umschlagen konnte. »Er ist unter einen Zug geraten«, sagte er leise.
    »Einen Zug?« Rob schaute den Polizisten verständnislos an. »Aber das kann nicht sein.«
    »Zwischen Culemborg und Geldermalsen. Wisst ihr, was er da wollte?«
    Rob schüttelte den Kopf. Rebecca hob einen Zipfel des Kissens an und sagte: »Das Gartengrundstück lag in der Nähe der Bahngleise.«
    »Ein Garten?«, fragte der Polizist.
    »Er wollte sich mit einem Kunden treffen«, erklärte Rob. »Er sollte einen Garten anlegen, auf einem Grundstück, auf dem eine Villa geplant ist. Es ging um einen großen Auftrag.«
    Der Polizist schwieg einen Augenblick. Sie hörten keinen Laut mehr aus dem Wirtschaftsraum, vielleicht waren Suzan und die Polizistin in die Tenne gegangen. Das Außenlicht brannte noch. Der Streifenwagen auf dem Deich reflektierte das Mondlicht.
    »Wer ist dieser Kunde?«
    »Das wissen wir nicht.« Rob biss sich auf die Lippen. Er sah, wie Rebeccas Knöchel auf dem Kissen weiß wurden.
    »Wann war der Termin?«
    »Um sechs, sieben Uhr, wir wissen es nicht genau.«
    »Und auch nicht, wo?«
    Rob schüttelte den Kopf.
    »Das hilft uns aber wenig.«
    »Es war …« Rob hatte einen Kloß in der Kehle. Er schluckte und flüsterte: »Mein Vater wollte uns damit überraschen. Er hatte schon seit Langem vor, mit mir zusammen eine eigene Gärtnerei zu eröffnen, und dieser Auftrag war genau das, was wir dafür brauchten.«
    Der Polizist tätschelte Rob das Knie. Er war erleichtert, dass sich der Junge so wacker hielt, aber der zweite Schock stand ihm erst noch bevor. »Dann muss das Treffen irgendwo anders stattgefunden haben«, sagte er. »Das Gelände, auf dem es passiert ist, gehört zu einem Haus an der Parallelstraße, es steht nicht zum Verkauf und in der Gegend ist auch keine Villa geplant, sonst hätten die Anwohner das sicherlich erwähnt.«
    »Aber wie kann er da verunglückt sein?«, fragte Rob.
    Der Polizist zögerte. »Es war kein Unglück«, sagte er dann.
    Rob starrte ihn an. »Was dann?«
    »Wir glauben, dass er sich vor den Zug gelegt hat.«
    Rebecca warf das Kissen von sich. Ihr Gesicht war gerötet und tränennass. »Das würde er niemals tun!«
    Rob nahm sie in den Arm und drückte sie fest an sich.
    »Vielleicht hatte er Probleme«, sagte der Polizist. Kinder wussten nicht immer von den Sorgen ihrer Eltern.
    »Mein Vater hatte keine Probleme«, erwiderte Rob halsstarrig. »Er hatte Pläne …«
    »Wir hatten den Sekt schon kalt gestellt«, stotterte Rebecca.
    Rob legte ihr die Hand an die Wange und schaute dem Polizisten in die Augen. Er wusste plötzlich, was der Mann dachte, weil er sich dieselbe Frage stellte. Was, wenn seine Pläne wieder einmal zunichte gemacht worden waren, weil der Auftrag geplatzt war? Wie verzweifelt wäre er gewesen?
    Der Polizist seufzte. »Es war der Zug, der um kurz nach acht in Utrecht losfährt. Der Lokführer sah ihn auf den Schienen liegen, konnte aber nicht mehr rechtzeitig bremsen.« Der Polizist war nicht dabei gewesen, aber er wusste in etwa, was von einem menschlichen Körper übrig blieb, der von einem bremsenden Zug auseinander gerissen wurde, der in Stücken und Fetzen an den Achsen

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