Rebecca
Nein, verstehst du» – sie unterbrach sich, runzelte leicht die Stirn und sah mich zweifelnd an –, «sie empfindet dein Hiersein einfach als eine persönliche Beleidigung, das ist des Pudels Kern.»
«Aber warum nur?» fragte ich. «Ich habe doch gar nichts getan.»
«Ich dachte, du wüßtest es», sagte Beatrice, «ich dachte, Maxim hätte es dir erzählt: sie hat Rebecca abgöttisch geliebt.»
«Oh», sagte ich, «jetzt begreife ich.»
Wir fuhren fort, Jasper zu tätscheln und zu streicheln, und der Hund, der solche Zärtlichkeiten nicht gewohnt war, rollte sich vor Begeisterung auf den Rücken.
«Da sind ja unsere Männer wieder», sagte Beatrice.
«Komm, wir lassen uns ein paar Stühle holen und setzen uns unter die Kastanie. Wie dick Giles geworden ist; neben Maxim sieht er geradezu unförmig aus. Frank wird sich wahrscheinlich gleich in sein Büro zurückziehen. Wenn er nur nicht so langweilig wäre. Er hat aber auch nie etwas Interessantes zu erzählen. Na, da seid ihr ja alle. Worüber habt ihr euch denn inzwischen unterhalten? Vermutlich habt ihr wieder Gott und die Welt in Stücke zerredet.» Sie lachte, und die anderen kamen auf uns zu, und wir standen alle herum. Giles ließ Jasper einen Zweig apportieren, und wir sahen dem Hund zu. Mr. Crawley blickte auf seine Uhr. «Ich muß mich leider empfehlen», sagte er. «Vielen Dank für das Mittagessen, Mrs. de Winter.»
«Sie müssen öfter kommen», sagte ich und gab ihm die Hand.
Ich überlegte mir, ob die anderen auch bald gehen würden. Ich war mir nicht sicher, ob sie nur zum Mittagessen herübergefahren waren oder den ganzen Tag bei uns verbringen wollten. Ich wollte wieder mit Maxim allein sein, und es sollte wieder wie in Italien sein.
Schließlich gingen wir alle zu dem Kastanienbaum und ließen uns dort nieder. Robert hatte inzwischen Liegestühle und Decken gebracht. Giles legte sich auf den Rücken und schob den Hut über die Augen. Nach einer kleinen Weile begann er mit offenem Mund zu schnarchen.
«Hör auf, Giles», sagte Beatrice.
«Ich schlafe ja gar nicht», stammelte er und riß die Augen auf, um sie gleich wieder zu schließen. Ich fand ihn sehr wenig anziehend und grübelte darüber nach, warum Beatrice ihn wohl geheiratet haben mochte. Sie konnte ihn unmöglich geliebt haben. Vielleicht dachte sie dasselbe von mir, denn hin und wieder fing ich einen nachdenklich erstaunten Blick von ihr auf, als ob sie sich fragte: «Was zum Teufel findet Maxim eigentlich an ihr?» Aber sie sah mich dabei durchaus nicht unfreundlich an. Sie unterhielten sich über ihre Großmutter.
«Wir müssen nächstens mal die alte Dame besuchen», sagte Maxim, und Beatrice entgegnete:
«Sie wird schon reichlich taperig, die Gute, beim Essen bekleckert sie sich ständig das Kinn.»
Gegen Maxims Arm gelehnt, hörte ich ihnen zu und rieb meine Wange an seinem Ärmel.
Mechanisch streichelte er meine Hand, ohne an mich zu denken, und unterhielt sich weiter mit Beatrice. Er liebt mich auf dieselbe Art, wie ich Jasper liebe, dachte ich.
Der Wind hatte sich gelegt. Es war ein schläfriger, friedlicher Nachmittag. Das Gras war frisch gemäht und roch süß und kräftig nach Sommer. Auch Jasper war es in der Sonne zu heiß geworden, und er trottete mit hängender Zunge auf uns zu. Er ließ sich neben mir nieder, begann sich das Fell zu lecken und sah mich mit seinen großen Augen wie um
Entschuldigung bittend an. Die Sonne schien auf die blanken Fensterscheiben, und ich konnte sehen, wie sich der Rasen und die Terrasse darin spiegelten. Aus einem der nahen Schornsteine stieg ein dünnes Rauchfähnchen auf, und ich dachte, ob jetzt wohl, wie alltäglich, der Kamin in der Bibliothek angezündet worden war.
Eine Drossel flog über den Rasen zu der Magnolie unter den Eßzimmerfenstern. Überall war es ruhig und still. Das Rauschen des Meeres drang nur ganz schwach aus der Bucht zu uns herauf; es war wohl jetzt Ebbe. Ich wollte dort sitzen bleiben und nicht sprechen und nicht zuhören und diesen Augenblick für alle Zeit wie eine Kostbarkeit bewahren, weil jeder von uns so friedlich gestimmt war, schläfrig und zufrieden. Hier saßen wir zusammen, Maxim und ich, Hand in Hand, und Vergangenheit und Zukunft bekümmerten uns nicht. Dies war uns sicher, dieses lächerlich winzige Bruchstück der Zeit, dessen er sich nicht mehr erinnern, an das er nie zurückdenken würde. Er würde diesen Augenblick nicht heilig halten – er sprach davon, daß er etwas von dem
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