Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
den Medien auftauchen, denn Sie tragen dazu bei, dass Kinder in Gefahr gebracht werden. Glauben Sie mir, die Medien werden sich darüber hermachen: Mein Anrufbeantworter läuft schon über von Mitteilungen von Presseleuten, die mit mir über Sanna Strandgård reden wollen.«
Die Haut spannte sich um Mund und Wangen der Rektorin.
»Wird man so, wenn man in Stockholm lebt und in einer vornehmen Anwaltskanzlei arbeitet?«
»Nein«, sagte Rebecka kurz. »So wird man, wenn man mit Leuten wie Ihnen zu tun hat.«
Sie musterten einander schweigend, dann gab die Rektorin sich mit einem Schulterzucken geschlagen.
»Ja, es ist wirklich nicht leicht, sich bei diesen Kindern auszukennen«, fauchte sie. »Zuerst dürfen sie von den Eltern und vom Bruder abgeholt werden. Und dann stürmt vorige Woche plötzlich Sanna Strandgård in mein Zimmer und erklärt, dass sie nur ihr ausgehändigt werden dürfen, und jetzt sind also Sie zuständig.«
»Sanna hat also vorige Woche gesagt, dass nur sie die Kinder abholen darf?«, fragte Rebecka. »Hat sie auch gesagt, warum?«
»Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ihre Eltern die fürsorglichsten Personen sind, die man sich denken kann. Sie waren immer für die Kleinen da.«
»Ach, das wissen Sie also«, sagte Rebecka gereizt. »Ich hole jetzt jedenfalls die Kinder ab.«
Um sechs Uhr abends saß Rebecka in Kurravaara in der Küche ihrer Großmutter. Sivving stand mit hochgekrempelten Ärmeln am Herd und briet in der schweren gusseisernen Pfanne Rentierstreifen. Als die Kartoffeln gar waren, hielt er den Mixer in den Aluminiumtopf und rührte die Kartoffeln mit Milch, Butter und zwei Eigelb zu einem lockeren Püree. Danach würzte er alles noch mit Salz und Pfeffer. Tjapp und Bella saßen wie brave Zirkuspudel zu seinen Füßen, hypnotisiert von den wunderbaren Düften, die der Herd aussandte. Lova und Sara lagen auf einer Matratze auf dem Boden und schauten eine Kindersendung im Fernsehen an.
»Ich hab Videos mitgebracht, wenn ihr welche sehen wollt«, sagte Sivving zu den Mädchen. »Und zwar den König der Löwen und noch ein paar Zeichentrickfilme. Die liegen in der Tüte.«
Rebecka blätterte zerstreut in einer alten Illustrierten. In der Küche war es eng und gemütlich, jetzt, wo Sivving sich vor dem Herd ausbreitete. Er hatte sofort gefragt, ob sie Hunger hätten, und angeboten zu kochen, als sie ihn zum zweiten Mal an diesem Tag um den Schlüssel gebeten hatte. Das Feuer knisterte, und im Schornstein rauschte es.
In der Familie Strandgård ist irgendwas passiert, überlegte Rebecka. Sanna wird morgen nicht so leicht davonkommen.
Sie sah Sara an. Sivving schien ihr abweisendes Schweigen nichts auszumachen.
Ich werde mich nicht so verdammt anstrengen, dachte sie. Soll sie doch machen, was sie will.
»Sie brauchen vielleicht irgendeinen Zeitvertreib«, sagte Sivving und nickte zu den Mädchen hinüber. »Aber im Moment scheinen manche Kinder ja vor lauter Videos und Computerspielen schon nicht mehr zu wissen, wie man draußen spielt. Du kennst doch Manfred, vom anderen Flussufer. Der hat erzählt, dass er im Sommer die Enkelkinder zu Besuch hatte. Am Ende schickte er sie mit Gewalt zum Spielen aus dem Haus. Im Sommer darf man nur im Haus sein, wenn es wie aus Kannen gießt, sagte er ihnen. Und die Kinder gingen nach draußen. Aber sie hatten keine Ahnung, wie sie spielen sollten. Sie standen einfach tatenlos da. Nach einer Weile sah Manfred, dass sie mit gefalteten Händen im Kreis standen. Als er sie fragte, was sie da machten, sagten sie, sie beteten zu Gott um einen Wolkenbruch.«
Er nahm die Pfanne von der Herdplatte.
»So, hört ihr, das Essen ist fertig.«
Er stellte Fleisch, Kartoffelpüree und eine mit Himbeergelee gefüllte alte Eisschachtel auf den Tisch.
»Ja, du meine Güte, was für Kinder«, lachte er. »Manfred war total fertig danach.«
MÅNS WENNGREN saß in seiner Diele auf einem Hocker und hörte seinen Anrufbeantworter ab. Eine Mitteilung stammte von Rebecka. Er trug noch immer seinen Mantel und hatte kein Licht gemacht. Er horchte auf ihre Stimme. Die hörte sich anders an. Als habe sie sich nicht an die Leine genommen. Bei der Arbeit ging ihre Stimme brav bei Fuß. Niemals durfte sie ihren Gefühlen hinterherlaufen und verraten, was sich in Rebeckas Innerem wirklich abspielte.
»Danke, dass du das mit der Journalistin in Ordnung gebracht hast«, sagte sie. »Bestimmt hast du nicht lange gebraucht, um irgendeinen Pferdefuß bei ihr zu
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