Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
wir ein Grab ausgehoben – an einer besseren Stelle, wenn du mich fragst –, aber wir sollten sie vielleicht zwingen, ihr Kind da zu begraben, wo es dir passt.«
»Nicht doch. Jetzt ist es zu spät, du hast ihnen Angst gemacht. Du sollst nur wissen, wenn so etwas noch einmal vorkommt…«
Jetzt lacht er fast. Will sie ihm drohen?
»…dann stellst du meine Liebe zu dir auf eine zu harte Probe«, endet sie und geht.
Lisa läuft hinter ihr her. Rasch, damit sie die Kommentare hinter sich nicht anhören muss. Sie kann sie sich vorstellen. Wenn die Pastorin im Bett von ihrem Kerl bekäme, was sie braucht, dann würde sie sich vielleicht beruhigen.
»Wen hat sie also provoziert?«, fragte Anna-Maria.
Lisa zuckte mit den Schultern und schaltete die Kaffeemaschine ein.
»Wo soll ich anfangen? Den Rektor der Schule in Jukkasjärvi, weil sie verlangte, dass er sich mit dem Mobbing an der Schule auseinander setzt, die Tanten vom Sozialamt, weil sie sich in deren Arbeit eingemischt hat.«
»Wieso das?«
»Tja, im Pfarrhaus wohnten doch immer Frauen mit Kindern, die ihre Männer verlassen hatten…«
»Sie hatte eine Stiftung für diese Wölfin ins Leben gerufen«, sagte Anna-Maria. »Darüber gab es doch lebhafte Diskussionen.«
»Mmm, ich habe kein Brot und keine Milch, Sie müssen ihn schwarz trinken.«
Lisa Stöckel stellte Anna-Maria einen angeschlagenen Becher mit Reklameaufdruck hin.
»Der Probst und einige andere Geistliche konnten sie auch nicht ausstehen.«
»Warum nicht?«
»Tja, unseretwegen, wegen uns Frauen in Magdalena, unter anderem. Wir sind fast zweihundert Personen in diesem Netzwerk. Und es gab sehr viele, die sie gern mochten, ohne Mitglied zu sein, viele Männer sogar, auch wenn Sie sicher das Gegenteil gehört haben. Wir haben mit ihr die Bibel studiert. Haben die Gottesdienste besucht, in denen sie gepredigt hat. Und haben praktische Arbeit geleistet.«
»Was denn zum Beispiel?«
»Sehr viel. Kochen. Wir haben uns überlegt, was wir konkret für alleinstehende Mütter tun könnten. Sie fanden es so hart, dass sie immer mit den Kindern allein waren, und ihre ganze Zeit schon für die praktischen Aufgaben vertan war. Arbeiten, einkaufen, putzen, kochen, und dann gab es nur noch den Fernseher. Also haben wir von Montag bis Mittwoch im Gemeindehaus in der Stadt für gemeinsames Essen gesorgt und hier draußen im Pfarrhaus donnerstags und freitags. Die Frauen müssen da manchmal mithelfen, sie bezahlen zwanzig Kronen für eine Erwachsene und fünfzehn für ein Kind. Sie brauchen dann einige Male in der Woche nicht einzukaufen oder zu kochen. Ab und zu passen sie gegenseitig auf die Kinder auf, damit sie zum Sport gehen können oder einfach in Ruhe in die Stadt. Mildred war immer sehr für praktische Lösungen.«
Lisa lachte kurz und fuhr dann fort: »Es war lebensgefährlich, ihr zu sagen, dass irgendwo in der Gemeinde etwas nicht stimmte. Dann schnappte sie zu wie ein Hecht: Was können wir machen? Ehe man sich versah, musste man auch schon zupacken. Das Netzwerk Magdalena war eine verschworene Bande, welcher Pastor hätte so etwas nicht gern in seiner Nähe?«
»Die anderen Geistlichen waren also neidisch?«
Lisa zuckte mit den Schultern.
»Sie haben gesagt, dass Magdalena eine verschworene Bande war. Gibt es das Netzwerk nicht mehr?«
Lisa schaute die Tischplatte an.
»Doch, schon.«
Anna-Maria nahm an, dass sie noch mehr sagen würde, aber Lisa Stöckel schwieg verbissen.
»Wer hat ihr nahe gestanden?«, fragte Anna-Maria.
»Wir in der Leitung von Magdalena, nehme ich an.«
»Ihr Mann?«
Eine leichte Bewegung der Iris, Anna-Maria hatte sie registriert.
Lisa Stöckel, es gibt etwas, das du für dich behältst, dachte sie.
»Natürlich«, sagte Lisa Stöckel.
»Wurde sie bedroht, oder hatte sie Angst?«
»Sie hatte vermutlich einen Tumor oder etwas, das auf den Teil des Gehirns drückte, wo die Angst sitzt…nein, sie hatte keine Angst. Und bedroht…nein, nicht mehr als früher. Es gab doch immer Leute, die es für nötig hielten, ihre Autoreifen aufzuschlitzen oder ihre Fenster einzuwerfen…«
Lisa Stöckel schaute Anna-Maria wütend an.
»Sie hatte solche Vorfälle schon lange nicht mehr angezeigt. Viel Ärger um nichts, es lässt sich ja niemals etwas beweisen, auch wenn man ganz genau weiß, wer es war.«
»Aber Sie können mir vielleicht einige Namen nennen«, sagte Anna-Maria.
Eine Viertelstunde später setzte Anna-Maria Mella sich in ihren Ford Escort und fuhr
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