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Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Titel: Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asa Larsson
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sagte, sie solle die Schuhe anbehalten, und bat sie, in der Küche Platz zu nehmen. Die war aufgeräumt. Als Mildred noch lebte, hatte er gekocht und aufgeräumt, warum sollte er jetzt damit aufhören? Das Einzige, was er nicht anrührte, waren ihre Habseligkeiten. Noch immer lag ihre rote Jacke auf dem Küchensofa. Ihre Papiere und ihre Post stapelten sich auf der Anrichte.
    »Also«, sagte er freundlich.
    Das konnte er gut. Frauen gegenüber freundlich sein. Im Lauf der Jahre hatten so viele hier an diesem Küchentisch gesessen. Einige hatten ein Kind auf dem Schoß gehabt und eins, das daneben stand und sich mit festem Griff an Mamas Pullover festhielt. Andere waren nicht vor einem Mann geflohen, sondern eher vor sich selbst. Sie konnten die Einsamkeit ihrer Wohnung in Lombolo nicht ertragen. Diese Frauen standen auf der Treppe draußen und rauchten in der Kälte eine Zigarette nach der anderen.
    »Mich schicken die Arbeitgeber Ihrer Frau«, sagte Rebecka Martinsson.
    Erik Nilsson hatte sich gerade setzen oder ihr vielleicht Kaffee anbieten wollen. Aber jetzt blieb er stehen. Als er schwieg, sagte sie: »Es geht um zwei Dinge. Zum einen möchte ich ihre Pfarrbüroschlüssel. Und dann geht es um Ihren Umzug.«
    Er schaute aus dem Fenster. Sie redete weiter, jetzt war sie diejenige, die ruhig und freundlich war. Sie teilte ihm mit, dass das Pfarrhaus eine Dienstwohnung sei, dass die Kirche ihm bei der Suche nach einer neuen Unterkunft helfen und eine Spedition anheuern könne.
    Er atmete schwer. Er kniff den Mund zusammen. Jeder Atemzug war als Schnaufen zu hören.
    Jetzt musterte er sie voller Abscheu. Sie schaute die Tischplatte an.
    »Pfui Teufel«, sagte er. »Pfui Teufel, da wird einem doch schlecht. Kann Stefan Wikströms Frau sich nicht mehr gedulden? Die hat es nie ertragen können, dass Mildred das größere Pfarrhaus hatte.«
    »Hören Sie, das weiß ich nicht. Ich…«
    Er schlug mit der Handfläche auf den Tisch.
    »Ich habe alles verloren!«
    Er machte mit der Faust eine Bewegung in der Luft, die mitteilen sollte, dass er sich zusammenriss, um nicht die Beherrschung zu verlieren.
    »Warten Sie«, sagte er.
    Er verließ die Küche. Rebecka hörte seine Schritte auf der Treppe und dann im ersten Stock. Nach einer Weile kam er zurück und ließ den Schlüsselbund auf den Tisch fallen wie eine Tüte voll Hundekot.
    »Sonst noch was?«, fragte er.
    »Der Umzug«, mahnte sie.
    Und jetzt blickte sie ihm in die Augen.
    »Wie fühlen Sie sich eigentlich?«, fragte er. »Was ist das denn für ein Gefühl, in dieser reizenden Kleidung so einen Beruf auszuüben?«
    Sie erhob sich. Etwas in ihrem Gesicht veränderte sich, es war sofort vorbei, aber er hatte es hier im Pfarrhaus schon so oft gesehen. Die stumme Qual. Er sah die Antwort in ihren Augen. Hörte sie ebenso deutlich, als wenn sie es laut gesagt hätte: wie eine Hure.
    Sie hob mit steifen Bewegungen ihre Handschuhe vom Tisch auf, langsam, als müsse sie sie zählen, um keinen zu vergessen. Eins, zwei. Dann packte sie den großen Schlüsselbund.
    Erik Nilsson seufzte tief und fuhr sich mit der ganzen Hand über das Gesicht.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er. »Mildred hätte mir einen Tritt in den Hintern verpasst. Was ist heute für ein Tag?«
    Als sie keine Antwort gab, fügte er hinzu: »Eine Woche, in einer Woche bin ich hier weg.«
    Sie nickte. Er folgte ihr zur Tür. Versuchte, etwas zu sagen, es war nicht gerade die passende Gelegenheit, um ihr Kaffee anzubieten.
    »Eine Woche«, sagte er zu ihrem Rücken, als sie das Haus verließ.
    Als ob ihr das eine Freude hätte machen können.
    Rebecka ging mit unsicheren Schritten aus dem Pfarrhaus. Aber das kam ihr nur so vor. Sie schwankte eigentlich überhaupt nicht. Beine und Füße trugen sie mit festen Schritten vom Haus weg.
    Ich bin nichts, dachte sie. In mir ist nichts mehr übrig. Kein Mensch, kein Urteilsvermögen, nichts. Ich tue, was mir aufgetragen wird. Natürlich. Die Kanzlei ist doch das Einzige, was ich noch habe. Ich sage mir, dass ich die Vorstellung zurückzugehen nicht ertragen kann. Aber ich kann es noch viel weniger ertragen, am Rand zu landen. Ich würde alles tun, wirklich alles, um dazuzugehören.
    Sie steuerte den Briefkasten an und bemerkte den roten Ford Escort, der den Kiesweg hochkam, erst, als er langsamer wurde und zwischen die Torpfosten fuhr.
    Der Wagen hielt.
    Ein elektrischer Stoß durchfuhr Rebecka.
    Polizeiinspektorin Anna-Maria Mella stieg aus dem Auto. Sie hatten sich

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