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Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht

Titel: Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asa Larsson
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Mittelfinger fragen die Innenseite von Mildreds Handgelenk: »Schuldgefühle? Reue?« Mildreds Handgelenk antwortet: »Nein.«
    Und Lisa lacht.
    »Ich sollte wohl wieder zur Bibelgruppe kommen«, sagt sie.
    Mildred lacht ebenfalls. Ein Stück halb zerkautes Brötchen fällt aus ihrem Mund und auf den Tisch.
    »Ja, Herrgott, was tut frau nicht alles, um die Leute zum Bibelstudium zu bewegen!«
    Mimmi trat vor Lisa hin und musterte ihr Werk. Die Schere in ihrer Hand wie ein gezücktes Schwert.
    »So«, sagte sie. »Jetzt braucht man sich wenigstens nicht mehr zu schämen.«
    Sie fuhr eilig mit der Hand durch Lisas Haare. Dann zog sie das Küchenhandtuch aus ihrem Schürzenbund und wischte damit energisch Haare von Lisas Nacken und Schultern.
    Lisa fuhr sich mit der Hand über die Stoppeln.
    »Willst du nicht mal in den Spiegel schauen?«, fragte Mimmi.
    »Nein, das ist sicher gut.«

DAS FRAUENNETZWERK MAGDALENA hatte Herbsttreffen. Micke Kiviniemi hatte draußen einen kleinen Tisch gedeckt, genau vor der Tür, neben der Treppe zum Restaurant. Es war jetzt dunkel draußen, fast schwarz. Und ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit. Er hatte einen kleinen Weg von der Landstraße über den Hofplatz zur Treppe mit Kerzen in Glasbehältern markiert. Auf der Treppe und auf dem Tisch standen mehrere selbst gebastelte Leuchter.
    Er bekam auch seine Belohnung. Hörte ihr ›Ah‹ und ›Oh‹ schon vorne an der Straße. Jetzt kamen sie. Sie trippelten, gingen, stiegen durch den Kies. An die dreißig Frauen. Die Jüngste fast dreißig, die Älteste soeben fünfundsiebzig geworden.
    »Wie schön«, sagten sie zu ihm. »Wir kommen uns ja vor wie im Ausland.«
    Er lächelte. Gab aber keine Antwort. Suchte hinter seinem Tisch Schutz. Kam sich vor wie ein Tierforscher, der sich versteckt. Sie würden nicht auf ihn achten. Sie würden sich natürlich verhalten, als wäre er nicht anwesend. Er fand das lustig, er kam sich vor wie ein kleiner Junge, der sich zwischen den Bäumen im Wald versteckt und spioniert.
    Der Hofplatz vor der Kneipe, wie ein großer dunkler Raum voller Geräusche. Ihre Füße im Kies, Kichern, Plaudern, Gekakel, Klatsch. Die Geräusche wanderten weiter. Streckten sich übermütig zur schwarzen Sternendecke hoch. Liefen hemmungslos über den Fluss, erreichten die Häuser am anderen Ufer. Wurden aufgesaugt vom Wald, von den schwarzen Tannen, dem durstigen Moos. Rannten die Landstraße entlang und erinnerten die Stadt daran: Es gibt uns.
    Sie dufteten und hatten sich fein gemacht. Auch wenn ihnen anzusehen war, dass sie nicht reich waren. Ihre Kleider waren unmodern. Lange geknöpfte Baumwolljacken über geblümten Glockenröcken. Selbst gelegte Dauerwellen. Schuhe von der Heilsarmee.
    Sie brachten die Tagesordnungspunkte in einer guten halben Stunde hinter sich. Die Auftragslisten füllten sich rasch mit Freiwilligen, mehr Hände in der Luft als unbedingt nötig.
    Danach wurde gegessen. Die meisten waren das Trinken nicht gewöhnt, zu ihrer leicht entzückten Bestürzung waren sie bald beschwipst. Mimmi lachte ihnen zu, während sie zwischen den Tischen hin und her lief. Micke hielt sich in der Küche auf.
    »Ach, Gott«, rief eine Frau, als Mimmi den Nachtisch brachte. »So hab ich nicht mehr gelacht seit…«
    Sie verstummte und fuchtelte suchend mit ihrem schmalen Arm. Der ragte wie ein Streichholz aus ihrem Ärmel.
    »…seit Mildreds Beerdigung«, rief eine andere.
    Alles schwieg für eine Sekunde. Dann brachen alle in hysterisches Lachen aus, schrien wild durcheinander, das sei wahr, dass Mildreds Beerdigung einfach…zum Sterben komisch gewesen sei, und dann machten sie weiter und lachten so sehr, wie dieser miese Witz es nur hergab.
    Die Beerdigung. Damals standen sie da in ihren schwarzen Kleidern, als der Sarg hinuntergelassen wurde. Der Frühling stach ihnen mit seiner scharfen Sonne in die Augen. Die Hummeln, die über den Kränzen tanzten. Das Birkenlaub zart und leuchtend, wie gewachst. Die Baumkronen wie grüne Kirchen, zum Bersten gefüllt mit paarungswilligen Vogelmännchen und aufnahmebereiten Weibchen. Auf diese Weise sagte die Natur: Mir ist das egal, ich halte niemals an, zum Staub sollst du zurückkehren.
    Dieser ganze überirdisch schöne Frühling als Hintergrund für das entsetzliche Loch im Boden, für den hart lackierten Sarg.
    Die Bilder in ihren Köpfen davon, wie sie aussah. Der Schädel wie ein zerschlagenes Gefäß unter der Haut.
    Majvor Kangas, eine der Netzwerkfrauen, hatte sie

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