Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
über ihre Stoppeln, wie um sie zu glätten. Mimmi schaute auf die Uhr.
»Ich bring das schon in Ordnung«, sagte sie. »Nimm dir einen Stuhl und setz dich.«
»Mascarponeeis und Moltebeeren als Nachtisch«, rief sie aus der Küche. »Das ist total…«
Sie stieß als Abschluss einen lobenden Gassenbubenpfiff aus.
Lisa zog sich einen Stuhl heran, hängte ihren Steppmantel darüber und setzte sich. Sofort legte Majken sich zu ihren Füßen, schon der kurze Spaziergang hierher hatte sie müde gemacht, oder sie hatte Schmerzen, vermutlich Letzteres.
Lisa saß still wie in der Kirche da, während Mimmis Finger ihr durch die Haare fuhren und die Schere alles auf einen Zentimeter Länge zurechtstutzte.
»Was soll jetzt werden, ohne Mildred?«, fragte Mimmi. »Hier hast du drei Wirbel in der Mitte.«
»Wir machen ganz normal weiter, stelle ich mir vor.«
»Womit denn?«
»Essen für Mütter und Kinder, die Saubere Unterhose und die Wölfin.«
Die Saubere Unterhose hatte als Sammelprojekt angefangen. Bei der praktischen Hilfe, die das Sozialamt misshandelten Frauen anbot, hatte es sich ergeben, dass diese Hilfe vor allem auf Männer zugeschnitten war. Es gab Einmalrasierer und Herrenunterhosen im Versorgungspaket, aber keine Damenslips und keine Tampons. Frauen mussten sich mit windelartigen Binden und Herrenunterhosen begnügen. Magdalena hatte dem Sozialamt eine Zusammenarbeit angeboten, die aus dem Einkauf von Damenunterhosen und Tampons und Hygieneartikeln wie Deo und Hautcreme bestand. Außerdem hatten sie Kontaktpersonen ernannt. Der Name der Kontaktperson wurde Hausbesitzern mitgeteilt, die bereit waren, einer misshandelten Frau eine Wohnung zu überlassen. Wenn es Probleme gab, konnte der Vermieter die Kontaktperson anrufen.
»Was habt ihr mit der Wölfin vor?«
»Wir hoffen ja, dass sie in Zusammenarbeit mit dem Naturschutz überwacht werden kann. Wenn der Schnee kommt und man Schneemobil fahren kann, ist sie gefährdet, wenn wir das mit der Überwachung nicht auf die Reihe kriegen. Aber die Stiftung hat jetzt doch Geld, wir werden also sehen.«
»Jetzt kommst du nicht mehr raus, aber das weißt du ja sicher«, sagte Mimmi.
»Wie meinst du das?«
»Du musst jetzt der Motor von Magdalena werden.«
Lisa blies einige kitzelnde Haare weg, die sich unter ihrem Auge niedergelassen hatten.
»Nie im Leben«, sagte sie.
Mimmi lachte.
»Glaubst du, du hast eine Wahl? Ich finde das wirklich witzig, du warst doch nie ein Vereinsmensch, das hättest du sicher nie erwartet. Himmel, als ich gehört habe, dass du zur Vorsitzenden gewählt worden bist! Micke musste mir Erste Hilfe leisten!«
»Kann ich mir denken«, sagte Lisa trocken.
Nein, dachte sie. Das hätte ich niemals erwartet. Es gab vieles, was ich nie von mir erwartet hätte.
Mimmis Finger fuhren durch ihre Haare. Sie hörte die Schere klappern.
An diesem Frühlingsabend…, dachte Lisa.
Ihr fiel ein, wie sie in der Küche gesessen und einen neuen Überwurf für das Hundebett genäht hatte. Die Schere hatte sich rhythmisch bewegt. Swisch, swisch, klipp, klapp. Im Wohnzimmer lief der Fernseher. Zwei Hunde lagen auf dem Wohnzimmersofa, man hätte fast meinen können, dass sie sich die Nachrichten ansahen. Lisa hörte beim Schneiden mit halbem Ohr zu. Dann ließ sie die Nähmaschine über die Stoffe donnern und trat das Trittbrett bis unten durch.
Karelin lag auf dem Hundebett in der Diele und schnarchte. Nichts kann alberner aussehen als ein schlafender, schnarchender Hund. Er lag auf dem Rücken und hatte die Hinterbeine nach oben und zu den Seiten ausgestreckt. Ein Ohr hing wie eine Augenklappe über einem Auge. Majken lag auf dem Bett im Schlafzimmer und hatte die Pfote über die Schnauze gelegt. Ab und zu kamen aus ihrer Kehle kleine Laute, und sie zuckte mit den Beinen. Der neue Springerspaniel lag gelassen neben ihr.
Dann plötzlich fährt Karelin aus dem Schlaf hoch. Er fährt auf und bellt los wie verrückt. Die Hunde im Wohnzimmer kommen angestürzt und bellen ebenfalls. Majken und der Springerspaniel schließen sich ihnen an und rennen Lisa, die ebenfalls aufgestanden ist, fast über den Haufen.
Als ob sie immer noch nichts begriffen hätte, kommt Karelin in die Küche und erzählt Lisa lauthals, dass jemand auf der Treppe steht, dass sie Besuch haben, dass da jemand kommt.
Es ist Mildred Nilsson, die Pastorin. Sie steht draußen vor der Tür. Die Abendsonne hinter ihr verwandelt ihre Haarspitzen in eine goldene Krone.
Die Hunde
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