Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
dass sie schweigsam war und deprimiert wirkte.«
Tommy Rantakyrö machte eine leichte Handbewegung.
»Ich habe die Frau gefunden, die dort sauber macht«, sagte er.
»Und sie hat erzählt, dass sie immer ziemlich weit im Voraus erfährt, wenn jemand die Hütte benutzen will. Dann dreht sie vorher die Heizung an und macht sauber, während der Besuch da ist, und danach putzt sie und stellt die Heizung wieder ab. Sie wusste nicht, dass jemand im Haus war.«
»Offenbar hat niemand gewusst, dass sie hinwollte«, sagte Anna-Maria. »Der Täter hat sie mit Klebeband an einen Küchenstuhl gefesselt und dann Strom durch ihren Körper gejagt. Das hat sie in eine Art epileptischen Zustand versetzt, sie hat sich die Zunge zerbissen, hatte Krämpfe …«
Anna-Maria wies auf die Bilder aus dem Obduktionsprotokoll, die die Handflächen zeigten, die rotblauen Nagelspuren.
»Aber«, sagte sie dann, »Todesursache ist vermutlich ein Stich ins Herz mit einem langen, spitzen Gegenstand. Der Stich ist quer durch den Körper gegangen. Es war kein Messer, sagt Pohjanen. Und dann – aber das wissen wir auch noch nicht – hat sie nicht auf dem Stuhl gesessen, sondern auf dem Boden gelegen. Dabei hat sich auf dem Boden unter dem Linoleum eine Kerbe gebildet, die Tintin gefunden hat. Das Labor sagt, dass das Blut in der Kerbe von Inna Wattrang stammt.«
»Vielleicht ist der Stuhl umgekippt«, schlug Fred Olsson vor.
»Vielleicht. Vielleicht hat jemand sie losgebunden und auf den Boden gelegt.«
»Um Sex mit ihr zu haben?«, schlug Tommy Rantakyrö vor.
»Vielleicht. Allerdings hatte sie keine Spermien im Körper … aber wir können Sex trotzdem nicht ausschließen, ob nun freiwillig oder unfreiwillig. Danach hat der Täter sie in die Arche gebracht.«
»Und die Arche war abgeschlossen, oder nicht?«, fragte Kommissar Fred Olsson.
Anna-Maria nickte.
»Aber es war kein kompliziertes Schloss«, sagte Sven-Erik.
»Das hätte auch jeder von unseren kleinen Gaunern geschafft.«
»Ihre Handtasche stand im Waschbecken im Badezimmer«, sagte jetzt Anna-Maria. »Telefon und Notebook fehlen, sie waren auch nicht in ihrer Wohnung auf Regla, wir haben die Kollegen in Strangnäs gebeten, das zu überprüfen.«
»Das ist alles so seltsam«, rief Tommy Rantakyrö.
Sie schwiegen eine Weile. Tommy Rantakyrö hatte recht. Sie konnten sich einfach kein Bild vom Handlungsverlauf machen. Was war in dieser Hütte nur geschehen?
»Ja«, sagte Anna-Maria. »Wir müssen alle Möglichkeiten bedenken. Hassausbruch, Sexualverbrechen, ein Verrückter, Erpressung, eine fehlgeschlagene Entführung. Mauri Kallis und Diddi Wattrang verschweigen uns, was sie über sie wissen, das steht immerhin fest. Wenn es eine Entführung war, dann sind sie die Art von Mensch, die keine Polizei mit einbezieht.
Wir haben doch auch keine Waffe gefunden. Wir haben die Hütte durchsucht und Tintin eingesetzt, da ist nichts. Ich will auf jeden Fall eine Liste ihrer Telefongespräche. Außerdem wäre es ja ganz großartig, ihr Adressbuch zu haben, aber das befindet sich sicher in den verschwundenen Teilen, Notebook und Telefon. Aber her mit der Liste der Telefonate. Besorgst du die, Tommy?«
Tommy Rantakyrö nickte.
»Und gestern«, sagte Anna-Maria, »haben die Taucher unter dem Eis diesen Mantel gefunden.«
Sie zeigte auf ein Foto von dem hellen Popelinemantel.
»Das ist ja nicht gerade gut zu sehen«, sagte sie. »Aber hier ist ein Fleck, gleich über der Schulter. Ich glaube, es ist Blut, Inna Wattrangs Blut. Wir haben es zur Kriminaltechnik nach Linköping geschickt, also werden wir es ja erfahren. Ich hoffe, sie können Haare oder Schweiß oder so im Kragen finden. Dann haben wir vielleicht die DNA des Mörders.«
»Glaubst du wirklich, dass der Mantel dem Mörder gehört?«, fragte Tommy Rantakyrö. »Das ist ein Sommermantel.«
Anna-Maria drückte den Finger an den Kopf, zum Zeichen dafür, dass sie nachdachte.
»Natürlich«, rief sie. »Es ist ein Sommermantel. Und wenn der Mantel dem Täter gehört, dann ist der aus dem Sommer gekommen.«
Die anderen sahen sie an. Was mochte sie meinen?
»Hier ist Winter«, sagte Anna-Maria. »Aber in Schonen und weiter südlich in Europa ist Frühling. Es war warm und wunderbar. Roberts Kusine und ihr Freund waren voriges Wochenende in Paris. Sie haben in einem Straßencafé gesessen. Ich sehe das so: Wenn er aus der Wärme gekommen ist, war er nicht von hier, sondern von weit weg. Und dann muss er mit dem Flugzeug
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