Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
verhätscheln?«, fragt Diddi. »Möchtest du etwas Bestimmtes?«
»Eis, ich sehe morgen bestimmt beschissen aus. Und eine Linie.«
Er holt das Gewünschte. Sie bekommt einen Whisky und fühlt sich ziemlich gut unter diesen Umständen. Es tut nicht mehr so verdammt weh, und der Whisky macht sie warm und entspannt, während das Kokain ihren Kopf klar bleiben lässt.
Diddi knöpft ihr Hemd auf und zieht es ihr vorsichtig aus. Er tunkt ein Frotteehandtuch in warmes Wasser und wäscht ihr das Blut aus Gesicht und Haaren.
Inna hält sich ein mit Eis gefülltes Küchenhandtuch auf das Auge und gibt Rocky-Balboa-Sprüche von sich.
»I can’t see nothing, you got to open my eye … cut me. Mick … you stop this fight and I’ll kill you …«
Diddi setzt sich zwischen ihre Oberschenkel und schiebt die Hand unter ihren Rock. Löst die Strümpfe von den Strapsen, küsst ihre Kniekehlen, während er ihr die Strümpfe abstreift.
Seine Finger wandern liebkosend an ihren Oberschenkeln aufwärts. Sie zittern vor Begehren. In ihrem Höschen ist sie klebrig vom Sperma eines anderen. Das ist ungeheuer sexy.
Sie lachen immer über Innas Liebhaber, er und Mauri. Sie lernt wirklich die unwahrscheinlichsten Männer kennen. Woher nimmt sie die nur? Das fragen er und Mauri sich immer wieder.
Wenn man Inna nackt auf eine Schäre im Meer setzte, dann würde bald ein Fiesling mit Perücke und Kleidern angesegelt kommen, und Inna könnte seine finsteren Begierden befriedigen.
Manchmal erzählt sie. Um die beiden zu unterhalten. Wie im vergangenen Jahr, als sie aus einem Luxushotel in Buenos Aires eine SMS schickte. »Hab seit einer Woche das Hotelzimmer nicht verlassen«, schrieb sie.
Als sie nach Hause kam, standen Mauri und Diddi da wie zwei erwartungsvolle Labradore, denen sie einen Knochen zuwerfen sollte. »Erzähl, erzähl!«
Inna hatte herzlich gelacht.
Der neue Freund war ein Schiffebeobachter gewesen.
»Er fährt in die großen Hafenstädte der Welt«, erzählte sie. »Quartiert sich in Luxushotels mit Seeblick ein und sitzt eine Woche da und führt Buch über Schiffe. Ihr könnt gern den Mund zumachen, während ich rede.«
Diddi und Mauri machten den Mund zu.
»Er filmt auch«, sagte Inna dann. »Und als im vorigen Jahr seine Tochter geheiratet hat, hat er Filme davon gezeigt, wie in aller Welt Schiffe in Häfen aus- und einfuhren. Zwanzig Minuten hat er damit verbracht. Die Gäste haben sich nicht übermäßig amüsiert.«
Sie machte eine zögernde Handbewegung, um das Interesse der Hochzeitsgäste zu illustrieren.
»Was hast du gemacht?«, fragte Mauri. »Während er nach Booten ausgespäht hat?«
»Tja«, antwortete sie. »Verdammt viele Bücher gelesen. Er wollte ja eigentlich, dass ich dalag und mir alles anhörte, was er zu erzählen hatte. Fragt mich also nach Tankern. Ich weiß alles.«
Sie hatten gelacht. Aber Diddi hatte liebevoll gedacht: Das ist meine Schwester. Sie war mit allem zufrieden. Sie fand seltsame Spielkameraden. Sie liebte sie, fand sie interessant, half ihnen, ihre Träume wahr werden zu lassen. Und manchmal waren die eben so harmlos.
Eigentlich war alles harmlos, von ihrem Standpunkt aus gesehen.
Wir haben immer unsichtbare Spiele gespielt, denkt Diddi jetzt und sucht mit den Fingern nach Innas Geschlecht. Alles ist in Ordnung, wenn nur niemand verletzt wird, der das nicht will.
Er sehnt sich nach dem Gefühl, in dem er früher gelebt hat. Dem Gefühl, dass das Leben flüchtig wie Äther ist. Jeder Augenblick existiert nur gerade jetzt, dann ist er verschwunden. Das Gefühl, allem mit den großen Augen eines Kindes gegenüberzustehen.
Er verliert dieses Gefühl durch Ulrika und das Baby. Er kann nicht ganz begreifen, wie das passiert ist. Dass er so einfach geheiratet hat.
Er will, dass Inna ihm Leichtsinn und Sorglosigkeit zurückgibt. Er will schwerelos im Leben treiben wie im Meer. Man wird an einen Strand gespült. Wandert eine Weile darauf umher. Findet ein schönes Schneckenhaus. Verliert es. Wird von der Flut wieder weggeschwemmt. So, genau so, soll das Leben sein.
»Hör auf«, sagt Inna gereizt und schiebt seine Hand weg.
Aber Diddi will nicht hören.
»Ich liebe dich«, murmelt er gegen ihr Knie. »Du bist wunderbar.«
»Ich will nicht«, sagt sie. »Hör auf.«
Und als er nicht aufhört, sagt sie:
»Denk an Ulrika und dein Prinzlein.«
Diddi hört sofort auf. Weicht ein Stück zurück und legt die Hände auf die Knie wie Porzellangegenstände auf ihren Sockel. Er
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