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Rebecka Martinsson 05 - Denn die Gier wird euch verderben

Rebecka Martinsson 05 - Denn die Gier wird euch verderben

Titel: Rebecka Martinsson 05 - Denn die Gier wird euch verderben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åsa Larsson
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Sol-Britt Uusitalos Großmutter ermordet worden ist.«
    »Ach was?«
    »Aber ja! Sie war Lehrerin in Kiruna.«

D ER B ERGWERKSDIREKTOR H JALMAR L UNDBOHM steigt am 15. April 1914 in Gällivare in den Zug ein. Er ist müde und niedergeschlagen, kommt sich alt und ausgebrannt vor. Er scheint eine Kiepe voller Menschen und Sorgen auf dem Rücken zu tragen. Es gibt rot glühende Arbeiter. Immer mit der Faust in der Luft, Arbeiter, vereint euch, auf ins Gefecht! Schwielige Handflächen, die auf den Tisch geknallt werden, jetzt, verdammte Axt, muss Schluss sein mit der Unterdrückung.
    Diese ganzen Gewerkschafter und Heißsporne, die in den Sägewerken von Västerbotten wegen ihrer revolutionären Umtriebe gefeuert werden, kommen alle nach Kiruna. Denn hier werden jeder Kerl und jede Frau gebraucht, die Dunkelheit und Kälte ertragen können. Aber danach muss er sich mit ihnen herumschlagen, mit Agitatoren, Sozialisten, Kommunisten.
    In seiner Sorgenkiepe trägt er auch übereifrige Beamte und überhebliche Ingenieure, die allesamt Krach schlagen und Klagen und Ansprüche erheben. Und dann sind da noch die Politiker in Stockholm und die Familie Wallenberg, die unerbittlich auf ihrem Profit besteht. Das Eisen muss heraus. Aus dem Berg. Die Investitionen in die Eisenbahn und in die Stadt Kiruna müssen sich bezahlt machen.
    Ganz unten in der Kiepe liegen die Opfer der Bergwerke, die Verletzten, die Verstümmelten. Die Witwen toter Arbeiter und die kleinen Vaterlosen, die voller Entsetzen der Armut ins Auge starren.
    Eine Kiepe voller Felssteine. Schlacke vom Erz.
    Wie soll er die alle zufriedenstellen? Allein schon die Wohnungsfrage, woher soll er Wohnungen für alle nehmen? Er möchte eine richtige Stadt bauen. Kiruna soll nicht werden wie Malmberget. Darf nicht so werden. Malmberget, die Bergwerksstadt hundert Kilometer weiter südlich, ist ein zweites Klondike. Da gibt es Gesindel, Suff und Hurerei. Das will er nicht. Er will Schulen, Badeanstalten und Volksbildung, wie in Henry Fords Fordlandia in Südamerika und Pullman City in den USA . Und das ist ein hohes Ziel.
    Wenn alles so werden soll, wie er sich das vorstellt, und noch dazu schön, dann dauert das seine Zeit. Aber die Leute brauchen ein Dach über dem Kopf. Die Wohnungsnot ist ein Problem. In den Wohnungen wird jeder Zoll Bodenfläche nachts zum Schlafen genutzt. Häuser ohne Baugenehmigung schießen aus dem Boden, es kann über Nacht passieren. Dann müssen sie abgerissen werden, und da stehen die Frauen, umringt von ihren Kindern, und weinen laut.
    Auch die Ernährungsfrage ist eine ständige Sorge. Und das Wasser.
    Er schafft nicht alles. Er schafft es nicht, allen zu helfen.
    Jetzt kommt er von einer Besprechung mit der Bergwerksleitung in Malmberget. Die Herren sind verärgert, weil die Gruben von Kiruna zu viele Erzwagen befördern. Auch sie wollen ihr Erz abtransportieren.
    Als er gerade in den Zug steigt, jagt ein Windstoß durch das Bahnhofsgelände. Der Schnee wirbelt auf, und die Sonne lässt alle Flocken glitzern wie schwebende Diamanten.
    Wenn ich nur malen könnte, denkt er. Malen, statt mich so abzuplacken.
    Der Zug setzt sich in Bewegung. Hjalmar Lundbohm geht sofort in den Speisewagen.
    Dort sitzt nur eine Person. Und bei ihrem Anblick fliegen alle düsteren Gedanken aus dem Fenster. Fast muss er sich die Augen reiben und sie für ein Trugbild halten.
    Sie hat runde rosige Wangen, große sehnsüchtige Augen mit langen Wimpern, eine knubbelige Stupsnase und einen kleinen Schmollmund, wie ein rotes Herzchen. Sie sieht aus wie ein Kind. Oder genauer gesagt, wie das Bild eines Kindes. Wie so ein kolorierter Druck, auf dem ein kleines Mädchen über einen Steg einen Bach überquert und von den vielen Gefahren dieser Welt nichts ahnt.
    Aber das Auffälligste sind ihre Haare: blond und lockig. Hjalmar Lundbohm stellt sich vor, dass ihr das Haar bis zur Taille reicht, wenn sie es offen trägt.
    Er registriert, dass ihre Schuhe gepflegt, aber stark abgenutzt und die Mantelränder mit Kantenband besetzt sind, weil sie verschlissen waren.
    Vielleicht wagt er deshalb zu fragen, ob er sich zu ihr setzen darf. Es überrascht ihn eigentlich, dass sie so ganz allein hier sitzt. Sie müsste umgeben sein von Straßen- und Bergarbeitern, ausgehungert nach Frauen. Ein wenig überrascht schaut er sich um, als hätte er plötzlich entdeckt, dass sich die Anwärter hinter den Portieren und unter dem Tisch verstecken.
    Sie erwidert freundlich, wenn auch ein wenig

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