Rebellin der Leidenschaft
beschäftigt, Nicoles Gepäck auszupacken. Unter den Dienerinnen war auch die erst dreizehnjährige Annie, die aus Dragmore mitgekommen war. Nur zwei der fünf großen Koffer waren noch verschlossen; der Rest ihrer Habseligkeiten würde im Laufe der Woche eintreffen.
Mittlerweile war Nicole mehr als verängstigt. Sie zitterte und war von verzweifelter Trauer erfüllt. »Danke«, sagte sie zu den Dienerinnen und der Haushälterin. »Es ist schon gut. Den Rest kann ich später selbst erledigen.« Sie wollte allein sein.
Alle blickten entsetzt auf sie bis auf Annie, die schon beim ersten Betreten des Palastes riesige Eulenaugen bekommen hatte. Schließlich ergriff die Haushälterin das Wort. »Es steht genügend Personal zur Verfügung, Euer Gnaden«, sagte sie in einem freundlichen, aber leicht mahnenden Tonfall. »Wenn Sie etwas wünschen, dann klingeln Sie einfach.«
Nicole nickte.
Mrs. Veig entließ die Dienstmädchen bis auf Annie. »Gibt es sonst noch etwas, das Sie wünschen?«, fragte sie.
»Nur ein Bad.«
»Es ist bereits eingelassen«, erklärte sie. »Dann gute Nacht.«
Nicole war durcheinander, benommen. Sie ließ sich auf das riesige, mit Polstern, einem Baldachin und Vorhängen ausgestattete Bett sinken, das aussah, als sei es Jahrhunderte alt. Die Tagesdecke war aus blassrosa Samt und fühlte sich unendlich weich an. Jetzt erst sah sie das hauchdünne, weiße Hemdchen für die Hochzeitsnacht auf dem Bett ausgebreitet. In weniger als einer halben Stunde würde Hadrian kommen, mit der Absicht, seine Rechte als ihr Ehemann einzufordern!
»Geht es Ihnen gut, gnä’ Frollein?«, fragte Annie und errötete im nächsten Augenblick. »Ich meine - Euer Gnaden?«
»Bitte, Annie, lass diese Formalitäten. Das ist doch nicht nötig.« Nicole stand rasch auf. Sie zog die schweren, weißen Vorhänge zurück, konnte jedoch nichts sehen. Die Nacht war pechschwarz und neblig; nur wenige Lichter erhellten die Auffahrt. Im Schein der Laternen glänzten die Kiesel wie poliertes Perlmutt.
»Annie, lass mich bitte allein«, sagte Nicole. Sie zitterte noch immer, jetzt sogar noch stärker. Doch sie musste überlegen - und zwar rasch.
Annie nickte und eilte zur nächsten Tür, die jedoch ins Wohnzimmer führte. Mit rotem Kopf kam sie wieder zurück, fand schließlich den richtigen Ausgang zum Flur und verschwand lautlos.
Nicole betrachtete das in Weiß und Rosa gehaltene Bett.
Sie starrte auf das hauchdünne Nachthemd, das darauf ausgebreitet lag, ein süßes Nichts, das nur den Zweck erfüllen sollte, einen Ehemann sexuell zu erregen.
Sie dachte an seine Küsse, seine Berührung.
Ihr Zittern wurde stärker. Plötzlich fühlte sie sich so erschöpft, dass sie glaubte, ohnmächtig zu werden. Sie ließ sich auf einen roten Sessel fallen und wünschte sich, mehr Zeit zu haben und klarer denken zu können. Doch sie konnte überhaupt nicht denken, ihre Gedanken waren wirr und völlig durcheinander. Das Einzige, was sie wusste, war, dass sie nach allem, was sich heute zugetragen hatte, Hadrian nicht erlauben durfte, über sie herzufallen und seine ehelichen Rechte einzufordern. Nicht heute. Und morgen würde sie über die Zukunft nachdenken, und darüber, wie sie mit ihm zurechtkommen würde - und auch mit sich selbst.
Sie fragte sich, ob sie es wagen durfte, Hadrian aus ihren Räumen auszusperren. Nervös ging Nicole zu einer der Türen; dabei hörte sie deutlich das Ticken der großen Uhr an der Wand auf der rechten Seite. Sicher war nicht mehr viel Zeit, bis Hadrian kam. Sie wusste nicht, wie sie eine weitere Konfrontation mit ihm überstehen sollte. Sie war so müde. Natürlich würde er zornig, wenn sie die Türen tatsächlich absperrte, aber es war so viel leichter, ihn jetzt auszusperren und sich erst morgen mit ihm auseinander zu setzen. Rasch drehte sie den Schlüssel in der Tür, durch die sie das Schlafzimmer betreten hatte; dann ging sie zu der, die auf den Flur hinausführte, und verschloss auch diese. Doch als sie wieder in die Mitte des Zimmers ging, wurde ihr Unbehagen noch größer.
Es war keine gute Art, eine Ehe zu beginnen. Wahrscheinlich war es sogar die allerschlechteste Art, eine Ehe zu beginnen. Aber noch ehe sie richtig überlegen konnte, ob sie wieder aufsperren sollte, klopfte er.
Nicole erstarrte. Nicht schon jetzt! Sie betete, es möge nicht ihr Ehemann sein, sondern eine Bedienstete. »Ja?«
»Ich bin es«, sagte Hadrian.
Nicole zögerte, sie fragte sich, ob sie die Tür öffnen
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