Rebellin der Leidenschaft
sollte. Eine plötzliche Feigheit überkam sie. Wenn sie ihn hereinließ ... aber es war leichter, ihn auf der anderen Seite der Tür zu belassen, so viel leichter. Sie suchte nach vertröstenden Worten, die sie ihm sagen konnte, aber es wollte ihr einfach nichts einfallen.
»Nicole?«, fragte er. Der Ton verriet Ungeduld. »Kann ich davon ausgehen, dass du fertig bist?«
»Nein«, antwortete sie hastig, »noch nicht!«
Es folgte eine kurze Stille. Sie lauschte, um herauszufinden, was er tat, aber sie hörte nichts. Dann probierte er, die Tür zu öffnen. »Versuchst du schon wieder, die Dinge hinauszuzögern? Das wäre absolut nicht klug.«
Nicole stellte sich seine verblüffte Miene vor, als er merkte, dass er ausgeschlossen war.
Sie rang verzweifelt die Hände. »Hadrian«, begann sie. »Ich bin sehr müde. Ich glaube ...«
»Ich glaube, ich verstehe«, sagte er leise.
Sein Ton ließ sie erstarren.
»Öffnen Sie die Tür, Madame!«
Das war ein einziger, riesiger Fehler! »Hadrian«, rief sie und bedauerte bereits ihren dummen Gedanken, ihn aus ihrem Schlafzimmer auszuschließen. »Ich bin sehr müde - lass uns morgen miteinander reden.«
Keine Antwort. Die Sekunden verstrichen. Nicole staunte, als sie bemerkte, dass er tatsächlich wegging. Es hatte also doch funktioniert!
Heftig zitternd sank sie auf ein kleines, rotes Plüschsofa vor dem glimmenden Kamin aus rosafarbenem Granit. Sie hatte das Gefühl, einer äußerst qualvollen Konfrontation entgangen zu sein - vielleicht war sie sogar mit dem nackten Leben davongekommen.
Ihr wild hämmerndes Herz beruhigte sich langsam. Sie lachte, doch es klang noch etwas unsicher. Drückte eine Hand auf den Mund, weil noch mehr Lachen, hysterisches Lachen, aus ihr herauszubrechen drohte. Oh Gott, sie hatte ihn verjagt. Und es war so einfach gewesen!
Ein Klicken an der Tür ließ sie plötzlich zusammenfahren. Sie öffnete sich, und die machtvolle Gestalt des Herzogs trat in den Raum, in einer Hand hielt er einen Schlüssel.
Zum ersten Mal in ihrem Leben fiel Nicole wirklich beinahe in Ohnmacht.
»Sperre mich nie, nie wieder aus«, sagte er. Sein Ton war viel zu ruhig.
28
Nicole stand absolut regungslos da. Ihr Herz schlug wild und beängstigend unregelmäßig. Hadrian füllte den ganzen Türrahmen aus, und sie spürte seinen Ärger wie Wellen über sie hereinbrechen. Er trug nur einen Morgenmantel mit einem Samtrevers; seine Waden und Füße waren nackt. Sie ahnte, dass er außer seinem Morgenmantel nichts trug, und wich langsam zurück. In seinen Augen funkelte unbändiger Zorn.
»Verstehst du mich?«, knurrte er. An seinen Schläfen traten pochende Adern hervor. Nicole sah, dass seine Fäuste geballt waren. Sie beobachtete ihn, wie er den Schlüssel in die Tasche seines Morgenmantels steckte.
»Du hast kein Recht«, flüsterte sie kaum hörbar.
»Ich habe jedes Recht. Und wenn du unsere Ehe unter diesem Zeichen beginnen willst, dann sei es so.« Sein Blick erfasste sie eisig und berechnend. »Sie sind eine sehr leichtsinnige Frau, Madame.«
Ein Dutzend Antworten und ein Dutzend Ausreden schwirrten ihr durch den Kopf. »Du bist gewarnt worden. Du bist es, der leichtsinnig ist. Weil du mich zu deiner Frau nahmst, obwohl ich mich mit aller Deutlichkeit weigerte!«
Seine Augen wurden groß. Ein bedeutungsschweres Schweigen brütete zwischen ihnen.
Nicole wünschte, sie hätte ihm auf jede erdenkliche Weise geantwortet, aber nicht auf diese.
Hadrian glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Er war so wütend, dass er für lange Zeit nicht zu sprechen wagte; er starrte nur auf seine verängstigte und dennoch so wilde und feindselige Braut. Wäre er ein geringerer Mann gewesen, er hätte sie über sein Knie gelegt und ihr eine Tracht Prügel verpasst. Doch so ausfallend würde er sich nie benehmen.
Es war die Demütigung, die ihn wirklich rasend gemacht hatte. Zuerst vor der gesamten Gesellschaft: Er konnte sich vorstellen, wie die Schwätzer jetzt über ihn herzogen, er konnte sich ihre Schadenfreude ausmalen, wenn sie darüber palaverten, wie wahnsinnig verliebt der arme Herzog doch sei, und noch dazu in eine so hasserfüllte Braut! Doch der allerletzte Schlag sollte erst noch kommen - er musste Mrs. Veig um den Schlüssel zum Zimmer seiner Frau bitten. Auch seine gesamte Dienerschaft würde sich also inzwischen schon fragen, warum die Braut den Bräutigam in der Hochzeitsnacht ausgesperrt hatte. Zornesröte verdunkelte die hohen Backenknochen des Herzogs.
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