Rebellin der Leidenschaft
gewesen, sie zu heiraten und sein Verlöbnis mit Elizabeth zu lösen. Er musste zeitweise den Verstand verloren haben.
Plötzlich schwebte ihm ein Bild vor Augen: Nicole als seine Frau. Sie würde eine schreckliche Ehefrau abgeben, anmaßend, ungehorsam, ihn ständig reizend, ganz anders als Elizabeth, die sich ausschließlich darum bemühen würde, ihm zu gefallen. Warum verglich er die beiden überhaupt, wo es doch nichts zu vergleichen gab?
Dennoch hatte Nicole ihn heiraten wollen, ebenso, wie sie es jetzt offenbar darauf abgesehen hatte, ihn zu reizen - eine völlig irregeleitete, sehr waghalsige Form, es ihm heimzuzahlen. Plötzlich wurde er ganz ruhig.
Wollte sie ihn etwa in eine Falle locken?
Sie war bei weitem nicht die erste Frau, die ihn heiraten wollte. Bei jeder Ballsaison gab es hoffnungsvolle junge Debütantinnen, die entschlossen waren, seine Blicke auf sich zu ziehen und ihn dazu zu bringen, Elizabeth fallen zu lassen. Selbstverständlich hatte er solcherlei Versuche bislang völlig ignoriert.
Aber er konnte nicht ignorieren, was mit Nicole geschehen war. Sie hatte gedacht, er würde sie umwerben, während er nur eine kurze Affäre im Sinn gehabt hatte. Schuldgefühle bemächtigten sich seiner. Er hatte sie verletzt. Zum ersten Mal, seit sie beide die Wahrheit über einander erfahren hatten, wagte er es, sich ihr zu stellen. Er erinnerte sich noch sehr deutlich, wie geschockt sie gewesen war, als er sich bei ihr dafür entschuldigt hatte, dass er sie fälschlicherweise für verheiratet gehalten hatte. Als er es nun zuließ, sich diesen Moment zu vergegenwärtigen, wurde ihm auch wieder der Schmerz und die Pein in ihren Augen bewusst. Zu jenem Zeitpunkt hatte er versucht, dem Wissen darum, was er getan hatte, aus dem Weg zu gehen. Aber jetzt konnte er es nicht mehr. Er kam sich vor wie ein Schuft.
Aber sie hatte sich von der Pein, die er ihr unbeabsichtigt zugefügt hatte, erholt, und zwar ziemlich schnell. Am gestrigen Abend hatte sie nicht wie eine verletzte, niedergedrückte junge Dame gewirkt. Sie war eine Verführerin gewesen, hatte ihre Schönheit zur Schau gestellt und ihn zu einem Wortduell herausgefordert. Sie war betörend gewesen. Am gestrigen Abend hatte sie sich, anstatt sich in ihr Schlafzimmer zurückzuziehen, provozierend auf dem Sofa der Bibliothek geräkelt. Und als er den Köder geschluckt hatte, ihr nachgeschlichen war und sie in seine Arme schloss, hatte sie ihm kaum Widerstand geleistet. Sehr schnell hatte sie hemmungslos gestöhnt.
War es eine Falle gewesen?
Er warf das Handtuch auf den Boden und lief nackt in seinen Ankleideraum, wo er sich einen Schlafrock überstreifte. Wut übermannte ihn. Sie war nicht die erste Frau, die versucht hatte, ihn mit ihrer Schönheit von seiner Verlobten wegzulocken, aber sie war die Erste, der er erlegen war. Jetzt war er sich ganz sicher, dass sie ihn hatte verführen wollen, dass sie es darauf angelegt hatte, in kompromittierender Lage von einem ihrer Angehörigen ertappt zu werden. Warum hätte sie sonst in der Bibliothek auf ihn warten sollen? Warum?
*
Es war Zufall, dass Elizabeth neben Isobel saß und sie zusammen Tee tranken und Hörnchen aßen, als die Botschaft des Herzogs sie erreichte. Elizabeth nahm die Karte in Empfang, die der Butler ihr reichte, und erkannte sofort das herzogliche Siegel. »Hadrian hat mir geschrieben«, hauchte sie. Ein Lächeln erstrahlte auf ihrem kleinen Gesicht und ließ sie beinahe schön wirken.
Auch Isobel lächelte bei dem Gedanken, dass Elizabeth noch so jung war und ihre Gefühle noch so deutlich zeigte. »Und, was schreibt er?«
Elizabeth wandte sich mit leuchtend blauen Augen an die Herzoginwitwe. »Er ist nach London zurückgekehrt!«, rief sie freudig. »Er ist wieder da, und heute Abend will er mich besuchen!«
»Das wird auch langsam Zeit«, sagte Isobel. »Reg dich nicht allzu sehr auf, Liebes, du weißt doch, dass es dir heute nicht so gut ging.«
Ein rosiger Schimmer überzog Elizabeths Wangen. »Wie soll ich mich nicht aufregen, wo es doch nun schon über einen Monat her ist, dass wir uns gesehen haben! Und Isobel« - die beiden verkehrten sehr vertraulich miteinander - » bitte sprich nicht unfreundlich über Hadrian. Anders wäre es, wenn er nicht hier wäre, weil er sich wüsten Vergnügungen hingäbe, aber wir wissen doch beide, wie schwer er arbeitet und wie ernst er seine Pflichten nimmt. Wenn ich ihn nicht tadele, solltest du es auch nicht tun.« Elizabeth äußerte diese
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