Rebellin der Leidenschaft
essen.« Schon als er dies sagte, spürte er eine merkwürdige Enttäuschung.
»Das musst du aber, Hadrian! Wenn du es nicht tust, denken die Leute, ich missbillige dein Tun und bin eifersüchtig. Es gibt einen Skandal, und du machst alles wieder zunichte. Du musst mit ihr essen!«
Er war schockiert. Seine eigene Verlobte schickte ihn in die Arme einer anderen Frau, einer Frau, die er noch immer heftig begehrte, obgleich er sich fest vorgenommen hatte, es nicht mehr zu tun. Natürlich hatte Elizabeth keine Ahnung, wie sehr Nicole ihn beschäftigte. »Dann essen wir zu dritt«, sagte er bestimmt, obwohl er diese Lösung noch peinlicher fand, als mit Nicole alleine zu essen.
»Nein, nein«, erwiderte Elizabeth ebenso bestimmt. »Ich bin zu müde. Ich habe mich mit deiner Mutter den ganzen Tag um die Vorbereitungen gekümmert. Wenn du heute Abend mit mir essen möchtest, muss ich mich am Nachmittag noch ein wenig hinlegen.«
»Dann bringe ich dich nach Hause.«
»Und Nicole soll hier alleine bleiben und noch einmal zum Gespött der Leute werden? Nein, das geht nicht! Ich schicke dir die Kutsche dann wieder her.« Sie lächelte ihn liebevoll an, dann drehte sie sich um und winkte der völlig verunsicherten Nicole aufmunternd zu.
Der Herzog versuchte es ein letztes Mal. »Elizabeth, wenn du jetzt gehst, werden die Leute denken, dass du schrecklich beleidigt bist.«
Elizabeth lachte fröhlich und zeigte allen, dass sie bester Laune war. »Im Gegenteil - alle werden sehen, wie sehr ich dir vertraue, und bald werde ich auch allen meinen Freundinnen erklären, wie sehr ich mich darüber freue, dass du deinen Schutz auf Lady Shelton ausgedehnt hast.«
Natürlich wühlten ihn diese Worte schrecklich auf. Wie sehr ich dir vertraue. Wie sehr sie sich irrte!
In seinem Leben hatte es schon viele Frauen gegeben. Von einem Gentleman wurde nicht erwartet, seiner Gattin treu zu sein, erst recht nicht seiner Verlobten; fast jeder Gentleman hatte eine Mätresse. Diese Frauen waren natürlich nicht adelig, und deshalb spielte es auch keine Rolle. Es wurde akzeptiert, ja sogar erwartet. Die adligen Damen waren sogar froh, wenn ihre Gatten sich bei anderen holten, was sie brauchten, denn Ladys waren zu vornehm, die Gelüste ihrer Männer zu befriedigen, solange es nicht um die Zeugung von Nachkommen ging. Aber eine Liaison mit Nicole Shelton war undenkbar. Es hätte nicht nur Elizabeths Vertrauen erschüttert, sondern auch den Ehrenkodex verletzt, an den sich der Adel hielt; Lady Nicole Shelton war schließlich eine Adlige.
Hadrian führte Elizabeth durch die Menge und versuchte, an nichts zu denken. Es fiel ihm schwer. Sein Herz pochte und seine Gedanken kreisten keineswegs um seine Verlobte, zumindest nicht so, wie sie es hätten tun sollen. Er war sich viel zu sehr der großen, dunklen Frau am Rand der Wiese bewusst. »Dann bis heute Abend, Hadrian!«, sagte Elizabeth, nachdem sie bei seiner Kutsche angelangt waren.
Der Herzog nickte und half ihr beim Einsteigen. Dann trat er einen Schritt zurück und blickte der abfahrenden Kutsche nach. Als ihm Elizabeth ein letztes Mal zuwinkte, brachte er nur mit großer Mühe ein Lächeln zustande.
*
Nicole sah die beiden Weggehen. Sie konnte noch immer kaum fassen, was soeben geschehen war. Warum hatte er ihren Korb ersteigert, und obendrein zu einem derart unglaublich hohen Preis? Wie konnte er so etwas vor Elizabeths Augen tun? Was hatte das Ganze zu bedeuten? Sei nicht töricht, versuchte sie sich zu warnen, aber sie war so aufgewühlt, dass diese Warnung im Vergleich zu dem, was der Herzog getan hatte, völlig nebensächlich erschien.
Und jetzt ging er also. Nicole stand noch immer unter der dicken, hohen Eiche, in deren Schatten sie sich zu Anfang der Versteigerung geflüchtet hatte. Natürlich ging er, was hatte sie denn erwartet? Dass er zu ihr kommen und sie auffordern würde, ihn zu begleiten, wie es all die anderen jungen Männer bei ihren Damen getan hatten? Hegte sie denn noch immer alberne romantische Vorstellungen über ihn? Wagte sie es tatsächlich, noch immer so kindisch zu sein?
Da ergriff Regina ihren Arm und erinnerte Nicole daran, dass sie nach wie vor neben ihr stand. »Ich glaube es nicht«, flüsterte sie aufgeregt. »Der Herzog von Clayborough hat deinen Picknick-Korb ersteigert. Ach, Nicole! Das ist ein wunderbares Zeichen! Damit hat er allen zu verstehen gegeben, dass man mit dir keinen Spaß treiben darf!«
Zitternd bemühte sich Nicole um ein kleines
Weitere Kostenlose Bücher