Rebellin der Leidenschaft
nur noch den Herzog und sie. Die Blätter über ihnen, die Grashalme um sie herum, die festliche Menschenmenge im Park, die ganze Welt geriet in Vergessenheit. Es gab nichts und niemanden außer ihr und dem mächtigen, starken Mann ihr gegenüber.
Nur ihre Augen bewegten sich, ihr Körper war erstarrt. Doch die Augen nahmen gierig jeden Zug seines Gesichtes auf, verweilten auf seinen sinnlichen Lippen, erinnerten sich an die Leidenschaft, die Kraft, den verzehrenden Hunger dieser Lippen. Sie wanderten tiefer, zu den breiten Schultern, dem mächtigen Brustkorb, den nur ein schlichtes weißes Leinenhemd verbarg, dessen Kragenknöpfe offen waren, so dass der Ansatz des dichten, dunklen Brusthaars sichtbar wurde. Die langen, kraftvollen Beine steckten in eng sitzenden ledernen Stiefelhosen, die bis zu den Knien reichenden schwarzen Stiefel glänzten im Sonnenlicht. Verwundert wanderte ihr Blick zurück zu seinen Lenden, wo sich seine stark erregte Männlichkeit deutlich unter dem Stoff der eng anliegenden Hose abzeichnete. Eine ganze Weile schaffte sie es nicht, ihren Blick davon abzuwenden, schaffte es nicht, sich zu rühren, noch zu atmen.
Die Anspannung in ihrem Körper war so heftig, dass sie am liebsten aus ihrer Haut gefahren wäre. Plötzlich war ihr, als stünde ihr der Tod bevor, ein Tod, der sie direkt in den Himmel bringen würde.
Er fluchte. »Verdammt noch mal. Das ist unerträglich. Schluss damit!«
Nicole befeuchtete die Lippen und dachte völlig schamlos an seine Küsse, daran, wie es sich anfühlte, in seinen Armen zu liegen, und auch an andere Dinge, an die eine Lady nie denken würde.
»Ich schlage vor«, sagte er scharf, »dass du jetzt an etwas anderes denkst!«
Er kannte ihre geheimsten Sehnsüchte. Sie hob den Blick und ließ sich - mit Freuden - von dem Feuer verzehren, das in seinen Augen loderte.
»Ich kann nicht«, flüsterte sie.
Er atmete heftig aus. »Wenn du das nicht tust«, sagte er rau, »dann haben wir jetzt eine sehr lange Stunde vor uns.«
Sie sah ihn an, und nach und nach schafften es seine Worte, sie von ihren unziemlichen Gedanken abzubringen.
»Ich denke, eine Stunde sollte genügen - wenn wir es so lange aushalten.«
»Eine Stunde sollte genügen«, wiederholte sie langsam. »Es schickt sich, dass wir eine Stunde lang gemeinsam picknicken. Und dann musst du natürlich wieder zurück zu Elizabeth.«
»Ja.«
Die Worte wirkten ernüchternder als ein Kübel Eiswasser. Wie konnte sie hier sitzen und den Mann einer anderen Frau begehren, einen Mann, der praktisch schon deren Ehemann war? Es war schrecklich unmoralisch, ebenso unmoralisch wie ihr skandalöses körperliches Verlangen. Nicole schämte sich. Einige wenige Augenblicke lang hatte sie Elizabeth vergessen und hätte alles getan, um mit dem Herzog allein zu sein, allein, nur sie beide. Aber wie hatte sie es nur vergessen können? Sie durfte es nicht vergessen! Dieser Mann war einer anderen versprochen, er gehörte nicht ihr, sondern einer anderen. Sie konnte ihn nicht haben; hier zu sitzen und ihn schamlos zu begehren war der Gipfel der Niedertracht.
»Wir sollten hier nicht länger verweilen«, sagte sie abrupt. »Gehen wir. Du kannst ja all deinen wunderbaren Freunden berichten, dass ich eine höchst charmante Gesprächspartnerin war, aber plötzlich von schrecklichen Kopfschmerzen befallen wurde. Und natürlich solltest du auch Elizabeth danken, dass sie bei dieser Rettung so freundlich mitgewirkt hat.«
Er erwiderte nichts, doch sie fühlte seinen Blick. Sie weigerte sich, ihn noch einmal anzusehen. Es kam ihr vor, als würde sie einen langsamen Tod sterben, allerdings einen völlig anderen als den Tod der Verzückung, in dem sie sich noch vor wenigen Minuten gewähnt hatte.
»Du hast Recht«, sagte er mit belegter Stimme, schloss den Picknick-Korb und stand auf. Er streckte ihr die Hand entgegen, doch Nicole hatte Angst, ihn zu berühren, auch wenn sie nichts so sehr wollte. Sorgfältig vermied sie seinen Blick, sorgfältig achtete sie darauf, dass sich ihre Hände nicht versehentlich streiften, während sie ihm die Jacke reichte und wartete, dass er sie anzog.
Seite an Seite gingen sie durch den Park zu den Kutschen. Den Picknick-Grüppchen, denen sie dabei begegneten, nickte der Herzog kurz zu, einige begrüßte er mit einem raschen »Hallo«, während Nicole niemanden ansah, denn sie war mit dem Chaos ihrer Gefühle zu beschäftigt. Sie konnte es kaum erwarten, sich in die Dragmore-Kutsche zu flüchten.
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