Rebellin der Leidenschaft
die Nicole entschlossen ersticken wollte. Sie wollte nicht mehr hoffen. Es schmerzte einfach zu sehr.
»Aber sie geht doch nie auf die Jagd«, sagte Regina. »Warum sollte sie herkommen?«
Mühsam zügelte Nicole ihre Wut. »Du und Mutter reiten morgen ja auch nicht mit, ebenso wenig wie Vater!« Der Graf hatte sich letzte Woche einen Muskel gezerrt und man hatte ihm dringend geraten, möglichst viel zu ruhen. Reiten kam überhaupt nicht in Frage.
»Wahrscheinlich hast du Recht«, sagte Regina. Ein Klopfen an der Tür kündigte ihren Tee an.
Nicole war froh, dass der Diener kam. Immer wieder warf sie einen nicht besonders diskreten Blick auf die Auffahrt, doch der Herzog war auch dann noch nicht eingetroffen, als sie sich zum Abendessen nach unten begaben. Sollte Regina Recht behalten? Elizabeth war beim Abendessen nicht zugegen - aber der Herzog auch nicht.
14
Die Jagd sollte morgens um neun Uhr beginnen. Zuvor versammelte sich die hochgestimmte Jagdgesellschaft noch zu einem reichhaltigen Frühstück. Nicole war ebenso aufgeregt wie die übrigen Gäste. Enttäuscht über die Abwesenheit des Herzogs von Clayborough hatte sie zwar nicht besonders gut geschlafen, aber jetzt verschwand jede Spur von Enttäuschung und Müdigkeit und ihr Puls beschleunigte sich in Vorfreude auf das bevorstehende Ereignis.
Die Gruppe bestand heute überwiegend aus Männern, aber auch einige Frauen waren mit von der Partie, darunter die Herzoginwitwe. Sie stand im Ruf, eine hervorragende Pferdekennerin zu sein. Ihre Jagdwochenenden waren weithin berühmt, die Einladungen dazu höchst begehrt und schwer zu bekommen.
Die Gäste der Herzoginwitwe stammten stets aus der Crème de la Crème des englischen Adels, und so war es auch an diesem Wochenende. Einige Herzöge, ein halbes Dutzend Marquis, mehrere Grafen und der Prinz von Wales warteten ungeduldig auf den Ruf, in den Sattel zu steigen. Auch ein paar Ausländer befanden sich in der illustren Schar, so mehrere Habsburger und zwei im Ausland lebende russische Adlige. Abgesehen von Macht und blauem Blut war den Teilnehmern einer solchen Gesellschaft stets eines gemeinsam: ihre Liebe zu Pferden.
Gegen Ende des Frühstücks läutete Isobel ein Silberglöckchen, um sich Gehör zu verschaffen. »Sind alle bereit?«, fragte sie lächelnd und mit funkelnden Augen.
Isobels Worte wurden lautstark und begeistert begrüßt. Alle sprangen auf, auch Nicole. Freudig erregt machte sie sich auf den Weg zum Eingang. An den Herzog dachte sie jetzt überhaupt nicht mehr. Doch dann blieb sie wie angewurzelt stehen.
Dort stand er, in ledernen Reithosen und schimmernden schwarzen, langen Stiefeln.
Gestern Abend hatte Nicole gehört, dass Elizabeth und er nicht kommen würden. Elizabeth war wieder krank und bettlägerig. Eine Zofe hatte ihr berichtet, dass sich um den Gesundheitszustand der jungen Lady die wildesten Gerüchte rankten; mehreren Ärzten, die sie untersucht hatten, war es nicht gelungen, sich darauf zu einigen, was ihr eigentlich fehlte.
Den Herzog jetzt zu sehen versetzte ihr einen Schock, der aber nicht unangenehm war. Nicole, die ohnehin schon sehr erregt war, begann zu zittern.
Endlich wandte er den Blick von ihr ab und schlenderte lässig zu seiner Mutter, küsste ihr die Wange und wünschte ihr einen guten Morgen. Sofort scharten sich einige Gäste um ihn, begrüßten ihn herzlich und äußerten ihr aufrichtiges Mitgefühl für den beklagenswerten Gesundheitszustand seiner Verlobten.
Andere Gäste begaben sich bereits auf den Hof, Nicole schloss sich ihnen an. Bald waren alle versammelt und die Stallknechte holten die Pferde. Alle hatten ihre eigenen Jagdpferde mitgebracht, auch Nicole. Am liebsten hätte sie ihren braunen Hengst geritten, aber das wäre zu vermessen gewesen. Ihn auf einer Jagd im Damensattel zu reiten, wie es der Anstand verlangte, wäre schlichtweg unmöglich gewesen. Stattdessen hatte sie einen großen schwarzen Wallach mitgebracht. Als sie seinen Hals streichelte, schnaubte er, schüttelte den Kopf und tänzelte unruhig hin und her, denn er spürte ihre Erregung. Allerdings dachte sie nicht an ihr Pferd, sondern an den Herzog von Clayborough.
Er war hier, er war doch noch gekommen. Ohne Elizabeth.
Sie versuchte vergeblich, sich auf ihr Pferd und die bevorstehende Jagd zu konzentrieren. Wieder grübelte sie über den Herzog nach. Aber was bildete sie sich eigentlich ein? Es spielte überhaupt keine Rolle, dass er allein gekommen war. Einige wenige Worte,
Weitere Kostenlose Bücher