Rebellin der Leidenschaft
blieb unbewegt.
»Sie haben unsere Tochter nicht nur aus einer schrecklich peinlichen Lage gerettet, sondern ihr auch ermöglicht, wieder in die Gesellschaft aufgenommen zu werden. Dafür können wir Ihnen gar nicht genug danken!«
»Elizabeth mag sie sehr gern. Ich habe es gern getan.« Doch schon bei diesen Worten fragte sich der Herzog, wie Nicole Shelton wohl wieder in die Gesellschaft eingeführt werden sollte, wenn sie London bereits verlassen hatte.
»Nicole mag Elizabeth übrigens auch sehr gern. Und ich bin sehr froh, dass es ihr jetzt wieder besser geht.« In London gab es keine Geheimnisse.
»Danke.« Obwohl Hadrians Miene ausdruckslos blieb, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Nicole Shelton seine Verlobte mochte. Das würde ihn schon sehr wundern.
Elizabeth trat zu ihnen und begrüßte die Gräfin. »Ich habe Ihr Gespräch mitbekommen«, fügte sie hinzu, »und wollte Ihnen noch sagen: Ich bewundere Ihre Tochter sehr, Lady Shelton. Bitte grüßen Sie sie von mir und sagen Sie ihr, dass ich sie baldmöglichst besuchen werde.«
»Gerne«, sagte Jane lächelnd.
Unwillkürlich runzelte der Herzog die Stirn. Nicole hatte London doch verlassen, oder etwa nicht? »Gedenken Sie aufs Land zurückzukehren, Gräfin?«, fragte er höflich.
»Nicht sofort. Nicholas fährt in den nächsten Tagen nach Dragmore zurück, aber ich muss noch ein wenig bleiben. Schließlich kommt es nicht oft vor, dass meine beiden Töchter hier sind. Diese Gelegenheit muss ich nutzen und die beiden in die Gesellschaft begleiten.«
»Ich verstehe«, sagte der Herzog. Sie war also doch noch in der Stadt!
Eigentlich müsste er sich ärgern. Noch vor wenigen Tagen hatte ihn ihre Anwesenheit in London schrecklich aufgeregt. Wo blieb nun sein Ärger? Er verstand es nicht.
Hatte sie ihn vorsätzlich angelogen? Nein - instinktiv wusste er, dass sie das nicht getan hatte. Er hatte es vermieden, an den Tag des Picknicks zu denken, aber jetzt konnte er nicht mehr umhin, sich daran zu erinnern. Etwas war zwischen ihnen entflammt, etwas, das er nicht näher betrachten wollte, etwas, das über reine Leidenschaft hinausging. Hatte sie nicht deshalb gesagt, sie würde London sofort verlassen? War er nicht deshalb erleichtert gewesen, dass sie wegwollte? Nun war sie also doch noch hier.
Elizabeth bemerkte seinen Stimmungswandel sofort und sprach ihn darauf an, als er sie in der imposanten Clayborough-Kutsche nach Hause brachte. »Bist du aufgebracht, Hadrian? Ärgerst du dich über mich? Wärst du lieber noch bei den Langleys geblieben?«
Es fiel ihm schwer, seine wirren Gedanken zu ordnen und auf seine Verlobte zu lenken. »Natürlich ärgere ich mich nicht über dich.«
»Dann bin ich ja froh«, sagte Elizabeth lächelnd. »Und sobald es mir besser geht, werde ich bei Lady Shelton vorbeischauen.«
Er schwieg. Überwältigende, wirre Gefühle stürmten auf ihn ein, er konnte sie nicht definieren und ihnen auch nicht entkommen. Kurz schien ihm, als würde ihn eine Woge erfassen und ihm den Boden unter den Füßen wegziehen.
Doch dann schärften sich seine Sinne und zwei Bilder tauchten vor ihm auf: Nicole auf dem Maskenball der Adderlys in ihrem unmöglichen, äußerst gewagten Zigeunerkostüm. Auch dort hatte er sie gerettet, obgleich er damals nicht weiter über die Gründe seines Verhaltens nachgedacht hatte. Natürlich wäre auch dem Dümmsten die Stimmung der Anwesenden nicht entgangen, die bereit waren, sie für ihr gewagtes Auftreten in Stücke zu reißen. Er hatte Nicole sofort gebilligt und danach hatte niemand es gewagt, es ihm nicht gleichzutun.
Und dann Nicole auf dem Wohltätigkeits-Picknick, entsetzt, weil sie wieder einmal schrecklich gedemütigt worden war, aber auch nach Kräften bemüht, es zu verbergen, weil sie so verdammt stolz war.
Er wollte nicht, dass seine Verlobte Nicole Shelton besuchte. Dennoch konnte, ja wollte er Nicole die Chance, wieder in die Gesellschaft aufgenommen zu werden, nicht nehmen; hatte er es ihr ja höchstpersönlich ermöglicht. »Das ist sehr fürsorglich von dir, Elizabeth«, sagte er.
Elizabeth lächelte glücklich. Der Herzog tat es nicht.
*
Am Freitagnachmittag kamen die Sheltons auf dem Landsitz der Herzoginwitwe von Clayborough an. Maddington gehörte den Clayboroughs schon weit über fünfhundert Jahre. Früher war es riesig und das Kernstück des Familienbesitzes in Derbyshire gewesen. Im Lauf der Zeit war immer mehr Land verkauft worden, so dass es inzwischen
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