Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)
Sie das Tablett auf den Nachttisch, dann können Sie gehen.« Victorias Augen fanden Byron, und er beantwortete ihren fragenden Blick mit einem Nicken. »Aber bringen Sie noch ein Tablett für den Duke. Er wünscht mit mir zu frühstücken.«
Annie ging. Byron kehrte zu Victoria zurück und setzte sich auf den Rand des Betts.
Da war eine Anspannung zwischen ihnen, eine Sinnlichkeit, die von einem neuen Bewusstsein überlagert wurde. Byron versuchte, sie zu überspielen, indem er Victorias Kissen aufschüttelte, als sie sich aufsetzte, und ihr das Tablett auf den Schoß stellte. Er kam sich wie ein Kindermädchen vor und verdrängte das Gefühl, doch Victoria warf ihr einen sonderbaren Blick zu, als sei ihr die Situation ebenso peinlich wie ihm. Dann schaute sie weg, griff zu Messer und Gabel und hielt inne.
»Ich komme mir so komisch vor, wenn Sie hier sitzen und mich anstarren, als wollten Sie sichergehen, dass die Invalide auch genügend isst«, sagte sie. »Teilen Sie sich meine Portion mit mir, und wir teilen uns Ihre, sobald Annie sie bringt.«
»Wir haben nur ein Besteck«, erklärte Byron.
Sie runzelte die Augenbrauen. »Das hätte Sie vor drei Tagen an nichts gehindert. Hat sich so vieles verändert?«
Ihre Stimme hatte einen neckischen Unterton, aber auch einen wehmütigen. Es hat sich mehr geändert, als ich mir je hätte vorstellen können, dachte er. Aber er lächelte ein wenig – ganz vorsichtig – und schloss die Hände um ihre Hand. »Dann füttere ich eben uns beide.«
Victoria legte das Besteck weg, lehnte sich in die Kissen und sah ihn durch blonde Wimpern an. Er nahm etwas Rührei, schob es ihr in den Mund, dann aß er selbst einen Bissen. Das letzte Mal hatte er so etwas mit einem Pfirsich-Krümelkuchen getan. Unglaublich, dass die Szenerie sich innerhalb so kurzer Zeit wiederholte, so ähnlich und doch so anders. Victoria errötete, als erinnere sie sich gleichfalls, und sah weg. Keiner von ihnen war nur annähernd in der Verfassung, jene Nacht zu wiederholen, und jetzt, bei Rührei und Speck, war die Erinnerung aufdringlich und plump.
»Ich komme mir wie ein Kind vor«, sagte sie mit gezwungenem Lachen.
»Es war Ihre Idee.«
Und das war das Letzte, das gesprochen wurde, bis Annie mit Byrons Tablett erschien. Victoria bekam ihre Gabel zurück, und die Anspannung legte sich.
»Ich habe über das, was Sie gesagt haben, nachgedacht«, sagte Victoria plötzlich und sah von ihrem gebutterten Toast auf. »Über mich, dass ich mich selber betrüge, meine ich.«
Byron, der eine Frage bezüglich seiner Erkrankung erwartet hatte, entspannte sich wieder.
»Ich dachte damals, Sie irrten sich, übertrieben die Sache in Ihrer dramatischen Art. Aber inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher, weil ich etwas über mich selbst gelernt habe.« Ihre blaugrauen Augen sahen ihn ernst und ohne zu blinzeln an. »Ich bin ein Feigling. Ich fürchte mich vor Veränderungen. Ich fürchte mich vor Risiken, aber am meisten fürchte ich mich vor mir selbst. Was Walter und ich getan haben, war... un überlegt. Im Nachhinein betrachtet sogar dumm. Doch wenn wir im hinteren Salon seiner Eltern waren, im Garten, im Schrank, in den Stallungen, dann fühlte sich das wundervoll an. Es fühlte sich richtig an. Aber nur ein paar Augenblicke später wusste ich, wie dumm ich gewesen war, und es hat mir Angst gemacht, einen Fehler von solchen Ausmaßen begangen zu haben.«
»Und da haben Sie aufgehört, sich selber zu vertrauen.«
Victoria zuckte ein wenig die Schultern. »Oh, wenn ich kühl und leidenschaftslos war, habe ich mir vertraut. Aber Gefühlen war nicht zu trauen.«
»Zum Beispiel Ihrem Ungestüm?«
» So lasse ich mich nur gehen, wenn ich reite. Reiten ist unverfänglich. Aber wenn es stürmt, dann spüre ich es auch.« Ihr Mundwinkel zuckte. »Bei Sturm habe ich mich noch nie unter Kontrolle gehabt.«
»Also haben Sie sich jahrelang bestraft und zur Ruhe gezwungen«, folgerte Raeburn. »Wegen eines jugendlichen Fehltritts. Ziemlich extrem, scheint mir.«
Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. »Darum ging es nicht. Sondern darum, was ich als Nächstes tun könnte. Ich wusste vorher einfach nie, ob es vernünftig oder dumm war.«
»Und was ist unser Vertrag?«
Victoria entspannte sich ein wenig und lachte. »Beides. Ich kann irgendwie immer noch nicht glauben, dass ich ihn unterschrieben habe. Er steht im Widerspruch zu allem, wofür ich stehe …«
»Aber nicht zu Ihren Gefühlen.«
»Nein, das
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