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Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Anderson
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den Garten, doch konnte sie ihren Verfolger nicht abschütteln. Sie stieg gen Sonne auf, in der Hoffnung, der alte Wermut würde geblendet und sie aus den Augen verlieren, doch er kam ihr zuvor und flog über sie hinweg, ein bedrohlicher Schatten, der dreimal so groß war wie sie. Das Sirren seiner schwarzen Flügel klang ihr in den Ohren. In ihrer Verzweiflung stach sie mit dem Messer auf die Flügel ein. Das Messer schnitt durch Federn und dann durch Haut und Fleisch. Der alte Wermut kreischte.
    Klinge flog weiter, und er stürzte ihr nach. Nur noch eine Flügelspanne trennte sie. Wermuts Augen funkelten wütend, und er hatte seine scharfen Krallen ausgestreckt. Klinge hatte ihn verwundet, aber er war trotzdem schneller und stärker als sie. Ihre einzige Chance bestand darin, im Sturzflug nach unten zu gehen und dicht über dem Boden so schnell wie möglich zur Eiche zu fliegen. Wenn sie genau im richtigen Moment abtauchte …
    Sie blickte hinunter, und alle Kraft verließ sie. Paul rollte auf dem gepflasterten Weg in Richtung Eiche und versperrte ihr den Fluchtweg. Er kann nicht wissen, dass sein fahrender Thron ihr Verderben sein würde, dachte sie verzweifelt. Es sei denn …
    Sengende Schmerzen schossen ihr durch den Flügel. Die Krähe hatte ihn aufgerissen. Klinge begann unbeherrscht zu taumeln. Närrin!, schrie sie stumm. Närrin! Du darfst nie zögern!
    Der alte Wermut hatte sie eingeholt und den Schnabel aufgerissen, als wollte er sie im Ganzen verschlingen. Den verletzten Flügel konnte sie nicht mehr gebrauchen. Sie konnte sich kaum noch in der Luft halten. Gleich würde sie abstürzen, auf dem Bodenaufschlagen und sterben. Doch dieser Tod war ihr lieber, als ein Ende in den grausamen Krallen der Krähe.
    Mit letzter Kraft legte sie die Flügel an. Besinnungslos vor Schmerzen und Angst sauste sie nach unten und fiel geradewegs in Paul McCormicks Schoß.

 
    SIEBEN
     
    Als Klinge wieder zu sich kam, stand ihr der Angstschweiß auf der Stirn. Ihr eingerissener Flügel schmerzte bestialisch. Der Magen knurrte ihr vor Hunger, und ihre Kehle brannte vor Durst. Doch als sie sich aufsetzen wollte, drehte sich alles um sie wie eine Garnrolle und sie hätte sich beinahe übergeben.
    Wie lange war sie bewusstlos gewesen? Hier im Dunkeln konnte sie es unmöglich abschätzen. Sie erinnerte sich noch, wie Wermut ihr zuletzt mit den Krallen den Flügel zerfetzt hatte und ihr der Boden entgegengerast war.
    Ich werde nie wieder fliegen können, dachte sie plötzlich mit grausamer Klarheit. Am liebsten hätte sie losgeheult. Ohne den Nervenkitzel der Jagd leben zu müssen, das Glücksgefühl des Fliegens … Klinge konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, vom Tod abgesehen.
    Doch ändern konnte sie es nicht. Keine Umschläge konnten einen gerissenen Flügel heilen, keine hundert Stiche die Wunde schließen. Sie war die jüngste und beste Jägerin gewesen, die der Königin je gedient hatte, doch ohne ihre Flügel war sie zu nichts nütze. Dorna würde ihre Pflichten wieder übernehmen, und sie selbst würde wieder Bryony sein, ein Niemand und für den Rest ihres Lebens in der Eiche eingesperrt.
    Nein! Das ertrug sie nicht. Wenn Königin Amaryllis sie nichtmit den Sammlerinnen nach draußen ließ, würde sie einfach weglaufen und allein leben, so lange und so gut es eben ging.
    Sie holte tief Luft, um ihre Übelkeit zu vertreiben, und wollte die Beine über den Bettrand schwingen. Im Zimmer war es stockfinster, und sie war von ihren Schmerzen wie betäubt. Sie brauchte deshalb eine Weile, bis sie merkte, dass ihr Bett gar keine Kante hatte – dass die weiche Unterlage, auf der sie lag, der Boden war.
    Sie spürte einen Stich im Magen. Kein Wunder, dass es dunkel war, kein Wunder, dass das Zimmer seltsam roch. Sie lag nicht in ihrem Bett in der Eiche, und Baldriana würde auch nicht gleich hereinkommen und nach ihr sehen. Sie lag ganz allein an einem fremden Ort.
    Aber wo?
    Vorsichtig, um den verletzten Flügel nicht zu erschüttern, kroch sie durch das Dunkel. Bereits nach wenigen Käferlängen stieß sie mit der Hand gegen etwas Kaltes. Sie fuhr mit den Fingern über die glatte Oberfläche. Vor ihr stand eine große Glasschüssel, gefüllt mit …
    Wasser. Große Gärtnerin! Sie stand mühsam auf, beugte sich über die Schüssel und trank durstig. Anschließend tauchte sie noch die Hände hinein und spritzte sich Wasser in Gesicht und Nacken. Als sie mit dem Waschen fertig war, fühlte sie sich ein wenig

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