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Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Anderson
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setzte sich wieder neben den Teller. Ihre Gedanken rasten. Hatten die Eichenfeen vor langer Zeit vielleicht auch in Paaren zusammengelebt und Kinder geboren wie andere Lebewesen? Vielleicht war den männlichen Feen etwas zugestoßen und die zurückgebliebenen weiblichen Feen hatten ihre Eier herzaubernmüssen – und dann vergessen, dass es einmal anders gewesen war.
    Vielleicht stand in Heides Tagebuch etwas darüber zu lesen. Aber das Tagebuch lag in ihrem Zimmer in der Eiche. Wieder einmal konnte Klinge eine Frage nicht beantworten. Warum passierte ihr das eigentlich ständig?
    »Ich nehme jetzt ein Bad«, brach Paul das unbehagliche Schweigen. »Wenn ich dich hier lasse, bist du dann nachher noch da?«
    Er schenkte ihr sein Vertrauen, dachte Klinge. Er bat sie zu bleiben, ließ ihr aber die Wahl. Sie wäre gern zu Heides Tagebuch und der geheimnisvollen Vergangenheit der Eiche zurückgekehrt, aber zugleich wollte sie mehr über Kunst erfahren – und das hier war vielleicht ihre einzige Chance.
    »Ja«, sagte sie. »Ich bin da.«

 
    NEUN
     
    »Ich habe eine bessere Schachtel für dich«, sagte Paul, als er mit nassen Haaren und frischen Kleidern aus dem Bad zurückkehrte. »Und meine Mutter ist draußen im Garten, wir brauchen also nicht zu befürchten, dass sie uns hört.« Er ließ die Schachtel auf den Tisch fallen und zog die Schublade auf. »Wo habe ich mein Messer hingelegt?«
    Klinge schluckte den letzten Bissen Toast hinunter. »Dein … was?«
    »Mann«, rief Paul verärgert. »Bestimmt hat mein Vater es wieder geklaut.« Er schob die Schublade zu. »Ich habe ihm an Weihnachten vor zwei Jahren einen schönen Brieföffner geschenkt, aber mein Bastelmesser landet trotzdem immer wieder in seinem Arbeitszimmer.« Er öffnete die Hand. Auf ihr lag ein kleiner, durchsichtiger Behälter. »Ich habe nur diese Messerchen, aber die nützen mir wenig ohne …«
    »Oh«, sagte Klinge und starrte auf den Behälter in seiner Hand. In ihm befanden sich mindestens fünf Metallspitzen wie die, die sie gestohlen hatte. Bestimmt konnte Paul ihr eine abgeben. Nur was konnte sie ihm dafür anbieten?
    »Was ist?«
    »Ach … du hast so viele davon.«
    Paul betrachtete den Behälter ratlos. »Stimmt, da sind einige drin, aber viel wert sind sie nicht.«
    Nicht viel wert? Von wegen, dachte Klinge. Aber wenn die Messerchen ihm wirklich nicht so viel bedeuteten, konnte sie ihm vielleicht eins davon abhandeln. Er durfte nur nicht zu viel nachfragen, wofür sie es brauchte …
    Der Wunsch stand ihr offenbar deutlich ins Gesicht geschrieben. Paul sah sie nur kurz an, öffnete den Behälter mit dem Daumen und schüttete die Messerchen auf die Tischplatte. »Bedien dich«, sagte er.
    Klinge beugte sich eifrig vor und nahm eins – doch im selben Moment wurde ihr klar, wie töricht sie sich benahm. »Nein, das geht ja nicht«, sagte sie. In ihrem Hals schien eine Nuss festzusitzen. »Ich kann dir nichts dafür geben.«
    »Na und?«, sagte Paul. »Das macht nichts. Wie du schon sagtest, ich habe genug davon.«
    Seine Großzügigkeit und ihre Gewissensbisse wurden auf einmal übermächtig. »Aber ich habe dir schon eins geklaut«, stotterte sie. »Mein erstes Messer, das ich verloren habe – ich habe es aus dem Arbeitszimmer deines Vaters genommen. Und ich kann es nicht einmal bezahlen.« Sie sah auf das glänzende Metall in ihrer Hand hinunter. »Und das auch nicht.«
    »Das mit dem Bezahlen ist dir ja ganz wichtig«, sagte Paul. Er klang verwirrt, aber zu Klinges Erleichterung nicht wütend. »Geben sich Feen eigentlich auch manchmal einfach so etwas?«
    »Die Königin verteilt jedes Jahr zur Sonnwendfeier einige Geschenke«, sagte Klinge. »Aber nur an Feen, die es verdient haben.«
    »Ich meinte keine Belohnung, sondern ein echtes Geschenk.« Paul beugte sich vor. »Das da« – er berührte das Messerchen vorsichtig mit dem Finger – »ist ein Geschenk von mir an dich. Du schuldest mir dafür nichts, jetzt nicht und auch in Zukunft nicht. Du brauchst es nur anzunehmen. Okay?«
    »Ich … ja«, sagte Klinge.
    »Gut.« Paul lehnte sich zurück. »Dann ist das abgemacht.«
    »Aber das erste Messer habe ich geklaut …«
    Paul nickte »Das hast du ja gesagt. Aber wenn ich mich darüber aufregen soll, musst du nächstes Mal etwas wirklich Wertvolles klauen.«
    Er machte sich über sie lustig, dachte Klinge. Aber sie war nicht beleidigt. »Ich werde es mir merken«, sagte sie und steckte ihr neues Messer – ihr Geschenk – in die

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