Rebellin unter Feen
ihn hilflos an. »Aber … das geht nicht«, sagte sie. »Ich kann nicht zaubern.«
»Jetzt hör mir mal zu«, sagte Paul. »Ich weiß zwar, dass Feen jede Menge Tricks auf Lager haben, aber so dumm bin ich nicht.«
»Ich auch nicht!«, schimpfte Klinge. »Was glaubst du denn! Wenn ich zaubern könnte, wäre ich doch schon längst in einer Rauchwolke verschwunden oder hätte wenigstens meine Flügelgesund gezaubert, damit ich wieder fliegen kann. Von deiner grässlichen Katze ganz zu schweigen – glaub mir, die hätte ich liebend gern in eine Kröte verwandelt. Dann hättest du mich nicht zu retten brauchen.«
»Wenn du im Schrank geblieben wärst, wäre das auch nicht nötig gewesen.« Paul verzog den Mund. »Das war wirklich dumm von …«
»Ich wusste nicht, dass du eine Katze hast. Und warum hätte ich nicht fliehen sollen? Du hast mich in eine Schachtel gesperrt!« Klinge verschränkte trotzig die Arme. »Ich verstehe nicht, warum du mich nicht gehen lässt.«
»Fragst du das im Ernst? Weißt du eigentlich, was es für einen Menschen bedeutet, einer echten, lebendigen Fee zu begegnen?«
»Wahrscheinlich dasselbe wie für eine Fee, einem echten, lebendigen Menschen zu begegnen«, erwiderte Klinge scharf. »Nur dass ich keine große Schachtel habe, in die ich dich einsperren …«
Das letzte Wort blieb ihr im Hals stecken, denn in diesem Moment ging knarrend die Tür auf und Pauls Kater drückte sich durch den Spalt. Er setzte sich, zeigte gähnend seine spitzen Zähne und begann, sich gründlich zu putzen. Klinge duckte sich in Pauls Schatten und machte sich so klein wie möglich.
»Na komm«, sagte Paul und streckte ihr die Hand hin. Klinge stieg darauf, und er setzte sie sich auf die Schulter. Dann pfiff er durch die Zähne. Der Kater hob den Kopf.
Klinge packte ihn am Hemd. »Was soll das?«
»Keine Angst, ich lasse nicht zu, dass er dir etwas tut.« Er strich mit dem Finger am Rand der Bettdecke entlang, und der Kater sprang zum Bett und folgte dem Finger entzückt mit seinen goldenen Augen. Paul beugte sich zu ihm hinunter, hob ihn auf, setzte ihn sich auf den Schoß und hielt ihn dort fest.
»Das ist nur ein dummer Kater«, sagte er. »Dumm wie Bohnenstroh.« Er kraulte ihn am Kopf und strich ihm mit der Hand über den Rücken bis zum Schwanz. Schnurrend sank der Kater auf seinen Schoß. »Er hat einmal eine Maus gefangen und wusste nicht, was er damit anfangen sollte. Also setzte er sich einfach drauf, bis wir kamen und sie ihm wegnahmen.«
»Ich hatte das Gefühl, dass er bei mir genau wusste, was er tun wollte«, sagte Klinge skeptisch.
»Er hielt dich wahrscheinlich für ein schönes neues Spielzeug. Vielleicht hätte er dich aus Versehen getötet, aber nicht mit Absicht.«
Klinge fand das wenig tröstlich, sagte aber nichts. Warum auch. »Wie heißt er noch gleich? Vermeer?«
»Den Namen habe ich ihm gegeben. Weil sein Fell im Licht so schön glänzt.«
Also kein wahrer Name, dachte Klinge enttäuscht. Sie hatte gehofft, sie könnte den Kater mit Hilfe des Namens beherrschen, wie Paul es offenbar tat. »Das verstehe ich nicht«, sagte sie laut.
»Vermeer war ein Maler im siebzehnten Jahrhundert. Ich zeige dir ein Bild von ihm.« Paul fasste den dösenden Kater um den Bauch, warf ihn aufs Bett und fuhr zum Bücherregal. Dort zog er das größte Buch heraus, das Klinge je gesehen hatte, und schlug das farbige Porträt einer jungen Frau auf. Sie hatte große Augen und leicht geöffnete Lippen, und an ihrem Ohr hing ein tropfenförmiger Anhänger.
Paul strich mit dem Finger über den metallisch glänzenden Ohrring. »Vermeer konnte Licht toll malen«, sagte er. »Und er verwendete in seinen Gemälden viele leuchtende, warme Farben.«
Stumm betrachtete Klinge das Gesicht des Mädchens. Es war ein schönes Bild, aber zugleich noch mehr. Als habe der Künstlernicht nur ein Mädchen zeigen, sondern noch etwas darüber erzählen wollen.
Und plötzlich begriff sie, dass genau das auch die anderen Bilder im Zimmer so besonders machte. Sie bildeten nicht nur bestimmte Dinge ab, sondern vermittelten eine ganze Vorstellungswelt. Aufgeregt rutschte sie von Pauls Schulter herunter, sprang auf den Tisch und betrachtete die Bilder genauer. Sie musste nur ihre Sprache lesen können …
»Sie gefallen dir«, stellte Paul fest. Sie drehte sich zu ihm um. In seinem Blick lag eine ganz neue Anerkennung. »Du verstehst sie. Die Kunst meine ich. Du bist nicht einfach nur höflich, oder?«
Klinge
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