Rebellin unter Feen
in ihrem Zimmer … aber was ist dir denn zugestoßen? Ist etwas schiefgegangen?«
Klinge ließ sich in den nächsten Stuhl fallen, stützte sich schwer mit den Ellbogen auf die Knie und blickte zu Boden. »Ich habe das Tagebuch nicht«, sagte sie. »Es tut mir leid.«
Winka zog scharrend einen Stuhl neben sie, und Klinge spürte eine kleine, warme Hand auf der Schulter. »Du hast es versucht«, sagte Winka. »Mach dir keine Vorwürfe.«
»Ach Winka, ich wollte, es wäre so leicht.«
»Was meinst du?«
Stockend erzählte Klinge von ihren Erlebnissen. Als sie fertig war, brannten rote Flecken auf ihren Wangen und sie mied den Blick ihrer Pflegemutter aus Angst vor dem, was sie dort sehenwürde. Doch Winka sagte nur: »War es denn schön?« Es klang fast sehnsüchtig.
Klinge starrte sie verwirrt an. »Du meinst … Waverley Hall?«
»Nein, was Paul gemacht hat. Hat es dir gefallen?«
Klinge unterdrückte ein Lachen. »Winka, du bist wirklich … Wie kannst du nach dem, was ich dir eben erzählt habe, so etwas fragen?«
Winka sah sie nur an, doch das reichte schon. Klinge sank wieder in sich zusammen. »Es geht nicht um meine Gefühle«, sagte sie, »sondern darum, was möglich ist. Und das … ist es eben nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil ich zu klein bin!« Klinge war richtig laut geworden. »Und mir fehlt die Kraft, mich wieder in einen Menschen zu verwandeln, selbst wenn ich wüsste, wie es geht. Wie könnte ich es ertragen, ihn weiter zu sehen und zu sprechen, wenn ich ihn doch nie …«
»Du meinst … du bist in ihn verliebt? Wie Heide in Philip?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Klinge unglücklich. »Ich weiß ja nicht mal, was Liebe ist.«
»Doch, das weißt du«, sagte Winka überraschend bestimmt. »Ich war mir anfangs nicht sicher, aber … andere Feen und Menschen sind dir wichtig, Klinge. Nicht nur Paul, auch Linde, ich und sogar Dorna. Du gestehst es dir nur nicht ein.«
Klinge stöhnte und stützte den Kopf in die Hände. »Ich will keine Gefühle haben, Winka.«
Winka legte ihr den Arm um die Schultern. »Ich weiß. Sie sind manchmal schrecklich. Aber ich persönlich finde, dass sie dir sehr gut stehen.«
Klinge saß zunächst ganz steif da und widerstand der Umarmung, doch dann lehnte sie sich seufzend mit dem Kopf an Winka. »Entschuldigung«, sagte sie. »Du warst mein Leben lang so gut zu mir, und ich habe es dir nicht immer angemessen gedankt.«
»Ist schon gut.« Winka drückte sie kurz an sich und ließ sie wieder los. »Aber dass du das Tagebuch liegen lassen hast, ist schade. Ich glaube dir, was du erzählst hast, auch wenn es mir ein wenig Angst macht. Aber ohne den Beweis, dass Feen früher mit Menschen zusammengelebt und neue Ideen von ihnen übernommen haben …«
Klinges Blick fiel durch das offene Fenster und auf das Haus. »Ich weiß.« Sie nickte. »Wir werden es schwer haben, die anderen zu überzeugen. Vielleicht hatte die Königin recht, uns alles zu verschweigen. Ändern können wir an unserer Lage ja offenbar sowieso nichts.«
»Das wird Dorna überhaupt nicht gefallen«, sagte Winka. »Sie …«
An der Tür klopfte es. Winka sprang auf und öffnete sie. Draußen stand Baldriana mit ihrer Tasche, in der sie alles aufbewahrte, was sie als Heilerin brauchte. »Du bist es also tatsächlich«, sagte sie zu Klinge. »Die anderen sagten, du seist weg, aber dann hörte ich deine Stimme … Pechnelke will dich sprechen.«
»Sprechen?«, fragte Klinge überrascht. »Ich denke, sie hat die Schweigekrankheit.«
»Das dachte ich auch, aber sie hat die Nacht durchgeschlafen und konnte bei meinem Besuch heute Morgen immer noch hören und sprechen. Seitdem wartet sie ungeduldig auf deine Rückkehr. Du sollst ihr berichten … So etwas habe ich noch nie erlebt.«
Klinge wandte sich rasch an Winka. »Gibst du bitte Dorna Bescheid, wo ich bin? Und sag ihr, dass ich jetzt gleich den dritten Band von Heides Tagebuch brauche – nicht für mich, sondern für Pechnelke.«
Winka nickte. »Mach ich. Aber jetzt braucht dich Pechnelke. Geh zu ihr!«
Pechnelkes Wangen waren eingefallen, und ihre Haare lagen schlaff und glanzlos auf dem Kopfkissen. Doch beim Anblick Klinges belebte sich ihr Gesicht, und sie zeigte mit zittrigen Fingern auf den Stuhl am Bett.
»Da bin ich.« Klinge setzte sich. »Aber …«, fügte sie mit einem unschlüssigen Blick auf Baldriana hinzu.
»Taub bin ich leider nicht«, sagte Baldriana, »aber du kannst dich auf meine Verschwiegenheit verlassen. Was du
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