Rebellion Der Engel
ich so etwas wie ein wandelnder Lügendetektor wäre, aber ich bildete mir zumindest ein, über eine gewisse Menschenkenntnis zu verfügen. Ich konnte nur hoffen, dass diese mich bei einem Engel nicht im Stich ließ.
Plötzlich durchfuhr es mich wie ein Schock. »Amber!«, platzte ich heraus. »Wenn sie mich finden konnten, können sie dann auch …«
»… deine Freundin lokalisieren?« Er nickte. »Sofern sie sie schon einmal berührt haben, ist das jederzeit möglich.«
Mir wurde eiskalt, als mir die Bedeutung seiner Worte bewusst wurde. »Sie werden sie aufspüren, um über sie an mich heranzukommen.«
»Wo ist sie?«
»Bei einem Freund.«
»Die Adresse«, drängte er. »Schnell.«
Ich nannte sie ihm, doch noch ehe ich mehr sagenkonnte, war er verschwunden. Er löste sich vor meinen Augen auf, und obwohl ich nicht zum ersten Mal Zeugin dieses Phänomens wurde, konnte ich nichts anderes tun, als auf die Stelle zu starren, an der er eben noch gestanden hatte. Womöglich hätte ich seine Abwesenheit nutzen und den Schreibtisch durchsuchen oder den Laptop nach verdächtigen Dateien filzen sollen, nach irgendwelchen Hinweisen, die mir einen Anhaltspunkt liefern konnten, womit ich es wirklich zu tun hatte. Sosehr es mich drängte, die Wahrheit herauszufinden, so war ich doch nicht imstande, mich zu bewegen. Die Aufregung der letzten Stunden hatte mir alle Kraft aus den Gliedern gesogen. Statt aufzustehen, lehnte ich mich zurück und schloss die Augen.
»Sie ist in Sicherheit.«
Erschrocken fuhr ich hoch und riss die Augen auf. Akashiel war zurückgekehrt, ohne dabei den geringsten Laut zu verursachen. Amber war nicht bei ihm. »Wohin hast du sie gebracht?«
»Sie ist immer noch in ihrem Unterschlupf«, erklärte er. »Ich habe lediglich einen Schleier über ihre Signatur gelegt, sodass niemand sie aufspüren kann. Das hält ein oder zwei Tage, dann werde ich ihn erneuern. Deine Freundin weiß nicht einmal, dass ich dort war.«
»Danke.«
»Das gehört zum Job«, erwiderte er lächelnd. »Mein persönliches Rundumschutzpaket. Ich war noch mal in deinem Hotelzimmer.« Er stellte meine Handtasche auf den Tisch. »Mehr habe ich nicht gefunden.«
»Mehr war auch nicht dort.«
»Ach ja, bevor du dich fragst, ob deine Verfolger dich finden können: Deine Signatur habe ich schon im Hotel verborgen.«
»Dann bist du also wirklich ein Engel.« Es war mirleichter gefallen, an Engel zu glauben, solange Akashiel noch eine gesichtslose Stimme gewesen war. »Wo sind deine Flügel?«
»Zu unpraktisch für den täglichen Gebrauch.«
Trotzdem musste er welche haben, ich hatte sie gesehen – in jener Nacht in meinem Garten. Womöglich konnte er sie wie Lea auch unsichtbar machen oder in irgendeiner Form verschwinden lassen.
»Ich kenne die Gemälde«, sagte er. »Ich weiß, dass ihr Menschen euch vorstellt, meinesgleichen würde in einem weißen Hemd, Harfe spielend auf einer Wolke sitzen.«
»Mit Pausbacken und Plüschflügeln«, ergänzte ich. Meine Worte entlockten ihm ein Grinsen, bei dem sich ein Paar Grübchen auf seinen Wangen bildeten.
Der einzige Ansatz einer Gemeinsamkeit, den er mit einem dieser pausbackigen Engel hatte, war die Wolke. Nur, dass sie in seinem Fall vom Duft seines Aftershaves stammte – das zugegebenermaßen ziemlich verführerisch roch.
»Du lächelst«, sagte er plötzlich. »Das ist schön.«
Ich lächelte tatsächlich, was mir erst durch seine Worte bewusst wurde. Doch auch wenn unsere Unterhaltung auf den ersten Blick leicht und locker wirken mochte, war es für mich der Versuch, mit der neuen Situation klarzukommen. Daran, dass ich noch immer unzählige Fragen hatte und durchaus wütend war, änderte es nichts.
»Wusstest du, dass –«
»Ich will nichts mehr über moppelige Engel hören.« So gelassen und entspannt ich mich vor zwei Sekunden noch gefühlt hatte, so ungeduldig wurde ich jetzt. »Ich brauche Antworten, Akashiel – und das am besten, bevor mir der Schädel platzt.«
»Und du wirst sie bekommen. Willst du eine heiße Schokolade?«
»Nein!«
Er neigte den Kopf zur Seite. »Wir können reden, während ich sie mache.«
Das war ein Argument, dem ich mich nur schwer entziehen konnte. Akashiel wusste das. Er hielt mir die Hand entgegen, und als ich sie ergriff, half er mir hoch und führte mich aus dem Arbeitszimmer.
»Wozu brauchst du eine Wohnung?«
Wir gingen einen karg möblierten Gang entlang, dessen dunkles Parkett edler war als jeder Fußbodenbelag, der sich
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