Rebellion Der Engel
Um auf deine Frage zurückzukommen«, er stellte die Flasche zur Seite und rührte die Milch um, die nun ein verführerisches Schokoladenbraun annahm, »ja, ich schlafe. Diese besonderen Fähigkeiten, von denen du einige bereits kennst, kosten Kraft. Im Schlaf regenerieren wir und laden unsere Akkus wieder auf.«
Allmählich bekam ich Kopfschmerzen. Davon wollte ich mich jedoch nicht bremsen lassen, solange ich noch so viele Fragen hatte, und eine Ungereimtheit lag mir ganz besonders am Herzen. »Wenn du dich nicht zeigen darfst, warum bist du dann in meinem Auto aufgetaucht und wieso standest du plötzlich als McCray vor meiner Tür? Von deinem Auftritt im Waschraum ganz zu schweigen.«
Akashiel schaltete den Herd ab, holte zwei Tassen auseinem Schrank, goss die Schokoladenmilch hinein und stellte sie auf ein Holztablett. Dazu legte er noch eine Packung Kekse. »Lass uns ins Wohnzimmer gehen, dann erkläre ich dir alles.« Er nahm das Tablett und führte mich hin.
Beim Anblick der riesigen Fensterfront, hinter der sich die beleuchteten Silhouetten der Wolkenkratzer abzeichneten, blieb ich erstaunt stehen und starrte nach draußen. Die Space Needle schien zum Greifen nah. »Wir sind in Seattle?« Ich wusste nicht, was ich geglaubt hatte, wohin er mich bringen würde, aber damit, dass seine Wohnung in einem sehr weit oben gelegenen Stockwerk eines Wolkenkratzers mitten in einer Großstadt liegen könnte, hatte ich nicht gerechnet.
Akashiel stellte das Tablett auf dem Couchtisch ab und kam zum Fenster. Er blieb so dicht neben mir stehen, dass sich unsere Arme berührten. »Ich mag die Aussicht«, sagte er. »Abgesehen davon ist das die Ecke, für die ich zuständig bin – nicht allein, trotzdem gibt es genug Arbeit.«
»Ihr habt die Welt aufgeteilt?«, fragte ich ungläubig. »Wie Handlungsreisende, die für bestimmte Landstriche zuständig sind?«
»So in der Art.« Er legte mir einen Arm um die Schultern und drehte mich in Richtung der Couch. »Komm, setz dich, es gibt noch viel zu besprechen.«
Ich ging hinüber und ließ mich in die Polster sinken. Es war höllisch bequem – so sehr, dass ich fürchtete – offene Fragen hin oder her –, binnen zwei Minuten einzuschlafen, wenn ich sitzen blieb. Da ich jedoch zu müde war, um zu stehen, rutschte ich nach vorn, bis ich auf der äußersten Kante saß. Das war unbequem genug, um mich wach zu halten.
Akashiel stellte mir eine der Tassen vor die Nase undschob die Kekse zu mir herüber. »Ich habe dir ja bereits erzählt, dass ich deine Akte auf den Tisch bekam und noch einmal nach dem Rechten sehen sollte«, begann er.
»Der Altfall.« Die Bezeichnung gefiel mir noch immer nicht – immerhin betraf sie mich und mein Leben. Nichts davon war alt.
Akashiel nickte. »Nur, dass ich deine Akte schon wesentlich früher hereinbekommen habe – am Tag deines Unfalls.«
Ich zog eine Augenbraue in die Höhe und wartete darauf, dass er weitersprach. Stattdessen griff er nach seiner Tasse und drehte sie auf dem Tisch hin und her, bis mir der Geduldsfaden riss. »Akashiel!«
Er sah auf. »Entschuldige.«
Während der nächsten Minuten erklärte er mir, wie er sich in meinen Wagen versetzt hatte – die Engel nannten es nicht beamen –, um zu sehen, ob es mir gut ging. Obwohl ich dazu gar nicht in der Lage hätte sein dürfen, konnte ich ihn sehen – woraufhin ich den Wagen in den Graben setzte. »Ich wollte herausfinden, ob es dir gut geht, deshalb war ich in diesem Waschraum. Unglücklicherweise konntest du mich dort auch sehen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich wusste nicht, wie ich dir erklären sollte, was ich nicht erklären durfte, und ehe ich auch nur ansatzweise irgendetwas erklären konnte, wurden wir gestört.«
»Du meinst die Engelssache?«
Er nickte. »Wir haben Regeln, die sehr ernst genommen werden, und plötzlich steht jemand vor mir, der mich sehen kann, obwohl ich mich bewusst verborgen hielt! Ich habe es falsch angefangen und dir durch meinen Besuch in deinem Haus noch mehr Angst gemacht, statt dich zu beruhigen. Ab da blieb mir nichts anderes übrig, als außer Sicht zu bleiben.«
»Weshalb du zur Stimme in meinem Kopf wurdest.«
»Dein Freund Harvey, das unsichtbare weiße Kaninchen«, ergänzte er in Anlehnung an unsere erste Unterhaltung.
Ich trank von meiner Schokolade und wärmte meine kalten Fingerspitzen an der Tasse, doch das reichte nicht aus, um die Kälte zu vertreiben, die sich in einer Mischung aus Müdigkeit, Angst und
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