Rebellion Der Engel
löste ihre Hand aus seiner und schob ihr Top ein paar Zentimeter nach oben, weit genug, um den hellroten Wulst zu offenbaren, der quer über ihren Bauch verlief.
Akashiel wollte ihr sagen, sie solle das lassen; stattdessen streckte er die Hand aus und berührte die Narbe, folgte ihr langsam und zog sich rasch zurück, als der Drang größer wurde, seine Finger weiterwandern zu lassen. »Ich weiß, dass das schwer zu verstehen ist«, fuhr er in erzwungener Ruhe fort. »Aber du bist nicht länger der Mensch, der du einmal warst. Du bist eine Nephilim.«
Rachel kniff die Augen zusammen. »Eine was?«
»Nephilim sind Mischwesen, gezeugt von einem Engel und einer Menschenfrau. Du bist ein Halbengel.«
Sie erwiderte Akashiels Blick starr, dann brach sie in Gelächter aus. »Entschuldige«, brachte sie hervor, nachdem sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte, »aber wenn du meinen Vater kennen würdest, wäre dir klar, wie abwegig der bloße Gedanke ist, er könnte ein Engel sein.«
Akashiel erwiderte nichts.
»Warte!« Schlagartig wich alle Fröhlichkeit aus ihren Zügen. »Soll das heißen … willst du damit sagen, dass mein Vater – der Mann, den ich mein Leben lang dafür gehalten habe – nicht mein Vater ist?«
»Er ist nur der Mann, bei dem du aufgewachsen bist. Dein wirklicher Vater ist ein Engel.«
Rachel sah ihn mit großen Augen an. »Ist das der Grund, warum er nach Moms Tod so abweisend war?«
Akashiel nickte. Unter anderen Umständen hätte er dieses Wissen nicht mit ihr teilen dürfen, doch die Rahmenbedingungen hatten sich geändert – Rachel war nicht länger nur eine Schutzperson. Sie war so viel mehr als das. »Inden Unterlagen deiner Mutter fand er einen verschlossenen Umschlag. Darin war ein Vaterschaftstest, der belegte, dass er nicht dein leiblicher Vater ist. Er ließ den Test wiederholen, aber das Ergebnis blieb dasselbe.«
»Das war der Grund für seine Veränderung.« Die Erkenntnis trieb ihr die Tränen in die Augen. »Deshalb wollte er nichts mehr mit mir zu tun haben und auch nie mit mir über Mom sprechen. Er konnte es nicht ertragen an sie zu denken, und mein Anblick hat ihn jeden Tag aufs Neue an ihren Betrug erinnert.«
Als Akashiel nach dem Tod ihrer Mutter nicht zu ihr durchgedrungen war, hatte er ihr Umfeld näher in Augenschein genommen und war dabei auf den Umschlag gestoßen. Rachels Vater mochte auf Außenstehende kalt und berechnend wirken, doch in Wahrheit war er ein gebrochener Mann, der nie die Kraft gefunden hatte, mit seinem Schmerz umzugehen.
»Erzähl mir mehr über diese Nephilim«, bat Rachel. »Was bedeutet es, einer zu sein?«
In erster Linie Gefahr. »Was ist mit deinem Vater? Wir können auch zuerst über ihn sprechen.« Akashiel wollte sie nicht mit allem überfallen und sie dann vollkommen überfordert mit all dem neu erworbenen Wissen sich selbst überlassen.
Sie schüttelte den Kopf. »Wenn das hier vorbei ist, werde ich mit Dad sprechen. Ihm sagen, dass ich von dem Umschlag weiß. Vielleicht können wir uns einander wieder annähern, wenn keine Geheimnisse mehr zwischen uns stehen. Abgesehen von dieser Nephilim-Sache. Ich vermute, dass ich darüber nicht sprechen darf, oder?«
»Schon um deiner eigenen Sicherheit willen nicht.«
»Das dachte ich mir.« Sie seufzte. »Also gut, ich bin bereit. Erzähl mir alles, was ich wissen muss.«
Akashiel griff nach seiner Tasse. Er ließ die Schokoladenmilch darin hin und her schwappen und beobachtete, wie sie sich träge im Kreis bewegte. Als er wieder aufsah, wusste er, wo er anfangen musste. »Einst wandelten einige Engel auf Erden, vom Chef gesandt, um über die Menschen zu wachen …«
Rachel sah auf. »Die Wächter«, sagte sie. »Diesen Teil der Geschichte kenne ich bereits. Sie haben die Menschen unterrichtet und ihr Wissen mit ihnen geteilt. Du bist einer von ihnen – ein Grigori.«
»Hast du das aus dem Internet?«
»Nein, von Kyle.«
»Wer ist Kyle?« Er hatte bereits einen Verdacht.
»Die Vertretung des Reverends.«
»Der Mann, der dich gestern Abend zu Amber gebracht hat?« Als sie nickte, unterdrückte er einen Fluch. »Hör zu, Rachel, dieser Mann ist nicht, was er zu sein vorgibt. Sein Name ist nicht Kyle, sondern Kyriel, und er ist ganz sicher kein Reverend. Er ist nicht mal ein Mensch. Ich weiß nicht, warum er hier ist, und auch nicht, was er von dir will, aber was er dir über die Grigori erzählt hat, ist falsch.«
Rachel starrte ihn an, als hätte er ihr einen Eimer Eiswasser
Weitere Kostenlose Bücher