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Rebellion Der Engel

Rebellion Der Engel

Titel: Rebellion Der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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hörte mich an wie eine bockige Vierjährige, die nicht bekam, was sie haben wollte. Kyles Grinsen nach zu urteilen, sah er das genauso. »Was ist, wollen wir bei einem Kaffee darüber sprechen? Ich habe vorhin erst welchen aufgesetzt, aber ich kann Ihnen nur Plätzchen aus dem Supermarkt dazu anbieten.«
    Obwohl ich genau deswegen hierhergekommen war – nicht wegen der Plätzchen und des Kaffees, sondern wegen eines Gespräches –, fühlte es sich merkwürdig an, von ihm ins Pfarrhaus eingeladen zu werden. Merkwürdig hin oder her, ich war gekommen, um zu reden, jetzt würde ich nicht kneifen. »Gern. Warum nicht?«
    Ich folgte Kyle den Gang entlang, am Altar vorbei zu einer Seitentür, die ich bisher noch gar nicht bemerkt hatte. Er hielt mir die Tür auf und trat hinter mir aus der Kirche. Von hier aus waren es nur wenige Meter zum Pfarrhaus. Die helle Fassade passte im Stil voll und ganz zur Kirche. Wie die meisten viktorianischen Gebäude, hatte auch das Pfarrhaus eine Veranda, die von einem Holzgeländer umgeben war. Darauf standen ein Schaukelstuhl und ein kleiner Rattantisch mit einem Windlicht.
    Ich folgte Kyle durch die weiß gestrichene Tür nach drinnen, wo wir vom Duft frischen Kaffees empfangen wurden. Er führte mich in die Küche und bot mir einen Platz am Esstisch vor dem Fenster an, ehe er sich die Hände wusch.
    »Das Haus ist ziemlich klein.« Er nahm zwei Tassen aus einem der Hängeschränke, goss Kaffee ein und stellte sie, zusammen mit Milch und Zucker, auf den Tisch. »Ich hatte schon Apartments, die geräumiger waren, und trotzdem gefällt es mir hier.« Bei seinen letzten Worten sah er mich so lange an, dass ich um ein Haar angefangen hätte, auf meinem Stuhl hin und her zu rutschen. Glücklicherweise brachte er mich nicht länger in Verlegenheit. Er wandte sichab, holte eine Packung Kekse aus dem Schrank, riss sie auf und stellte sie auf den Tisch. »Bedienen Sie sich – wo die herkommen, gibt es noch mehr.«
    »Der Supermarkt hat immer gut gefüllte Regale«, stimmte ich zu und nahm mir einen Keks. Auch wenn ich nicht hungrig war, tat es gut, dass meine Hände eine Beschäftigung hatten. Als mir jedoch auffiel, dass ich mehr mit dem Gebäck spielte und anfing, es in Einzelteile zu zerlegen, statt es zu essen, schob ich es mir in den Mund und schloss meine Finger um die Kaffeetasse.
    »Was ist nun mit den Engeln?«, fragte ich kauend.
    Kyle schob mir den Zuckerstreuer zu, von dem ich dankbar Gebrauch machte. »Ist Ihnen einer erschienen?«
    »Machen Sie sich über mich lustig?«
    Er schüttelte den Kopf und sah mich dabei so ernst an, dass ich es ihm sofort abnahm. »Ich versuche nur, Sie zum Reden zu bringen.
    »Eigentlich wollte ich, dass Sie reden.«
    »Sie wollen also etwas über die Boten Gottes wissen?«
    Bote Gottes – das klang, als wären sie Briefträger. Ich spülte den Kommentar mit einem Schluck Kaffee herunter – heiß und sehr süß – und nickte nur.
    »Ich kann nicht unbedingt behaupten, dass ich an Engel oder das, wofür sie gemeinhin stehen sollen, glaube«, begann er schließlich. »Ganz sicher aber weiß ich, dass es eine spirituelle Kraft gibt, die die Menschen leitet und ihnen den Weg weisen kann – wenn man nur offen genug ist, auf sie zu hören.«
    »Und wenn diese spirituelle Kraft mit einem spricht, sich aber weigert, sich zu zeigen, und deshalb dafür sorgt, dass man sich wirklich dämlich fühlt, weil man sich mit jemandem unterhält, der womöglich gar nicht da ist?«, presste ich ohne Luft zu holen hervor.
    »Dann sollte man diese Weigerung akzeptieren. Sie wissen ja: Die Wege –«
    »… des Herrn sind unergründlich«, vollendete ich seinen Satz.
    »Eigentlich wollte ich sagen, die Wege sind im Winter nicht geräumt und nicht gestreut.«
    Zwei Sekunden lang erwiderte er meinen Blick vollkommen ernst, dann brachen wir in Gelächter aus. Obwohl er ein Reverend war, fühlte sich seine Gesellschaft nicht wie die eines Pfarrers an. Vielmehr hatte ich das Gefühl, mit jemandem am Tisch zu sitzen, der mir gar nicht so unähnlich war. Zumindest schien er gern zu lachen, und allein das machte ihn schon sympathisch. Ganz davon abgesehen, dass er mich gerettet hatte.
    So verworren und eigenartig mein Leben zurzeit auch sein mochte, in diesem Augenblick fühlte es sich an, als sei alles normal. Unglücklicherweise musste ich fürchten, dass dieses Gefühl verschwinden würde, sobald ich das Pfarrhaus verließ.
    »Ich weiß einfach nicht, was mit mir los ist«,

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