Rebellion Der Engel
und solange er seine anderen Aufträge verlässlich abarbeitete, würde er es auch nicht erfahren – oder ihn, wenn man seine Allwissenheit in Betracht zog, zumindest nicht rügen, solange er sich an die Regeln hielt.
Scheiß Regeln!
Bisher hatte er sie nicht gebrochen – allerdings hatte er sich heute ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt, indem er Rachel zuerst vor dem umstürzenden Regal gewarnt und kurz darauf mit ihr gesprochen hatte.
Es war ein Wunder gewesen, dass das Regal sie nicht erschlagen hatte. Glücklicherweise hatte sie schnell genug auf seine Warnung reagiert und sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Hätte sie sich erst nach dem Ursprung seiner Stimme umgesehen, wäre es zu spät gewesen.
Akashiel war in den Buchladen gekommen, um nach dem Rechten zu sehen. Es war nicht mehr als ein Gefühl gewesen, das ihn dorthin geführt hatte, doch er hatte gelernt, seinen Instinkten zu vertrauen. Wenn sie ihm sagten,dass etwas nicht stimmte, dann war das für gewöhnlich auch so. Für die Menschen unsichtbar, streifte er zwischen den Regalen umher, auf der Suche nach einem Grund für seine Unruhe. Als Rachel ihr Büro verließ und in den Laden kam, war er drauf und dran gewesen, wieder zu verschwinden, da er nichts entdeckt hatte, was sein Unbehagen gerechtfertigt hätte. Doch statt sich mit einem einzigen Gedanken in sein Apartment nach Seattle zu versetzen und sich wieder an die Arbeit zu machen, war er hinter ein Regal getreten und hatte Rachel von dort aus beobachtet.
Noch bevor er sah, wie das Regal kippte, hatte er es gespürt. Als rüttelten unsichtbare Hände daran. Womit er möglicherweise gar nicht so verkehrt lag, denn in jenem endlos erscheinenden Augenblick, in dem er sah, wie das Regal aus seiner Verankerung gerissen wurde, war er sicher, eine andere Präsenz zu spüren. Jemanden, der war wie er. Er hatte Rachel eine Warnung zugerufen – womit er hart an der Grenze des Erlaubten entlangschrammte – und sich, sobald er sicher war, dass es ihr gut ging, auf die Suche nach dieser Präsenz gemacht.
Ohne Erfolg.
Danach hatte er versucht, Kyriel zu finden, doch der hatte seine Signatur sorgsam verborgen, sodass Akashiel ihn nicht aufspüren konnte. Abgesehen davon bezweifelte er ohnehin, dass dieser Idiot etwas mit dem Anschlag auf Rachel zu tun hatte. Sicher, er hatte sich gestern Abend als ihr Schutzengel ausgegeben und das kippende Regal konnte ein Versuch gewesen sein, sie dazu zu bringen, sich an ihn zu wenden. Trotzdem glaubte Akashiel nicht so recht daran. Was er gespürt hatte, glich nicht dem, was er empfand, wenn Kyriel in der Nähe war. Allerdings erinnerte es ihn an jene andere Präsenz, die er schon an der Unfallstelle gespürt hatte.
Nachdem seine Versuche, den Attentäter aufzuspüren,erfolglos geblieben waren, war er in sein Büro zurückgekehrt und hatte Kontakt zu Rachel aufgenommen, um sich zu vergewissern, dass mit ihr alles in Ordnung war. Das war einer der Vorteile, ein Engel zu sein: Er war in der Lage, auch über große Entfernungen hinweg mit ihr zu kommunizieren und bis zu einem gewissen Grad sogar zu sehen, was sie tat – und wenn sie ihn rief, brauchte er nur ihrer Signatur zu folgen, um innerhalb eines Wimpernschlags bei ihr zu sein.
Kyriels Schutzengel-Posse hatte ihm tatsächlich den perfekten Aufhänger geliefert, um mit ihr in Kontakt zu treten. Dadurch, dass sie ihren vermeintlichen Schutzengel vergangene Nacht bereits zu Gesicht bekommen hatte, war es ihm ein wenig leichter gefallen, sie zum Zuhören zu bewegen. Doch selbst wenn es ihm nicht verboten wäre, sich ihr zu zeigen, hätte er es in diesem Fall nicht getan – andernfalls hätte Rachel sofort gewusst, dass er nicht der Engel aus ihrem Garten, sondern der Typ war, der ihren Unfall verursacht und sie auch danach noch in Angst und Schrecken versetzt hatte.
Die Unterhaltung mit ihr hatte ihm gefallen, sodass er nur widerwillig an seine Arbeit zurückgekehrt war. Glücklicherweise war kein großer Aufwand nötig, um die aktuellen Aufträge in seinem Posteingang zu erfüllen. Ein paar geflüsterte Worte hier, ein wenig Hoffnung da – mehr brauchte es meist nicht, um die Menschen aus ihren vielfältigen Depressionen zu reißen und sie dazu zu bewegen, sich Hilfe zu suchen, statt sich vor einen Zug zu werfen.
Die Berichte zu tippen und an den Chef zu schicken, war eine reine Formalität, etwas, was er schon unzählige Male gemacht hatte und was seit der Erfindung der E-Mail um einiges
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