Rebellion Der Engel
einfacher geworden war. Das half jedoch alles nichts, solange er nicht bei der Sache war.
»Akashiel? Hallo?«
Überrascht, Rachels Stimme zu hören, sprang er auf,wobei er beinahe die Tasse samt Laptop vom Schreibtisch gefegt hätte. Für gewöhnlich funktionierte die Kommunikation nur in eine Richtung – er konnte Kontakt zu seinen Klienten aufnehmen, aber diese nicht zu ihm. Dass Rachel dazu imstande war, bewies ihm erneut, wie außergewöhnlich diese Frau war.
»Schutzengel?«, hörte er sie fragen, nachdem er nicht geantwortet hatte. »Kannst du mich hören?«
»Ich bin hier.«
Seinen Worten folgte Schweigen, als hätte seine Antwort sie überrascht. Akashiel dachte schon, sie mit seiner Antwort verscheucht zu haben, dann jedoch hörte er ein gehauchtes »Wow«, als hätte sie nicht erwartet, seine Stimme zu hören. Dieses eine Wort umfasste ihre ganze Gefühlswelt und gab ihrem Erstaunen ebenso Ausdruck wie ihrem Unglauben.
»Wow«, sagte sie noch einmal und nach einer kurzen Pause: »Du bist wirklich ein Engel, oder?«
»Das bin ich«, sagte er mit so viel Ernst, wie er angesichts ihrer Fassungslosigkeit aufbringen konnte.
Er konnte spüren, wie sie nach Worten suchte, und war nicht einmal ansatzweise imstande zu ermessen, was seine Eröffnung für sie bedeuten mochte. Schon immer hatte es Menschen gegeben, die an seinesgleichen glaubten, und das obwohl sie nie einen echten Engel zu Gesicht bekommen hatten. Bei manchen war es der bloße Wunsch, es mögen Wesen existieren, die sie behüteten und über sie wachten. Andere hatten ihre vermeintlichen Engelssichtungen ihrem übermäßigen Drogenkonsum zu verdanken. So oder so, keiner dieser Leute hatte jemals wirklich einen Engel gesehen oder mit ihm gesprochen – ganz im Gegensatz zu Rachel.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, flüsterte sie.
»Wie wäre es mit Wow?«, schlug er vor und unterdrückte ein Grinsen.
»Ich fürchte, das drückt nicht einmal annähernd aus, was gerade in mir vorgeht.«
»Das hängt vermutlich von der Betonung ab.«
Sie lachte, ein warmer, angenehmer Laut, den er sich öfter zu hören wünschte. Doch so schnell ihre Fröhlichkeit gekommen war, so schnell war sie wieder verschwunden. »Wo bist du gewesen, als ich dich gebraucht hätte?«
Er wusste sofort, wovon sie sprach, auch wenn es ihn erstaunte, dass ausgerechnet das eine ihrer ersten Fragen war. »Nach dem Tod deiner Mutter war ich bei dir.« Er ging zum Fenster und blickte hinaus auf die Skyline von Seattle, deren Fenster und Dächer in der Nachmittagssonne wie Silberstaub glitzerten. »Ich habe zu dir gesprochen und mein Möglichstes getan, dir den Verlust zu erleichtern, aber es war schwer, an dich heranzukommen.« Sie hatte sich damals so in ihrer Trauer und Einsamkeit verschlossen, dass es ihm kaum gelungen war, sie zu erreichen.
»Warum konnte ich dich damals nicht hören, so wie heute?«
»Weil es so nicht funktioniert.«
»Wie meinst du das?«
Akashiel wusste, dass es ihm nicht gestattet war, darüber zu sprechen, andererseits hatte er die Regeln in Rachels Fall bereits so sehr gedehnt, dass es darauf nun auch nicht mehr ankam. »Meine Arbeit ist gewissen Regeln unterworfen, die ich allein dadurch breche, dass ich mit dir spreche.«
»Ich sag’s nicht weiter.«
Angesichts ihres trockenen Kommentars musste er grinsen, wurde jedoch schnell wieder ernst. »Unglücklicherweise hat der Chef mehr Ahnung davon, was hier unten vorgeht, als uns manchmal lieb ist.«
»Der Chef ? Du meinst doch nicht etwa …?«
»Doch, den meine ich«, sagte er schmunzelnd.
»Und wenn du sagst, uns, dann bedeutet das, es gibt noch andere wie dich?«
»Für mich allein wäre die Arbeit ein wenig viel. Sie ist so schon kaum zu schaffen.« Er seufzte. »Es ist uns verboten, uns zu zeigen und offen mit den Menschen zu kommunizieren. Die meisten Menschen sind ohnehin nicht feinfühlig genug, um überhaupt von meinesgleichen Notiz zu nehmen, und jene, die unsere Gegenwart bemerken, spüren sie für gewöhnlich in Form von positiver Energie. Wenn Menschen von einem unerklärlichen Wunder sprechen, war meistens einer meiner Kollegen daran beteiligt – oder der Zufall, aber den kenne ich nicht persönlich.«
»Der Zufall ist eine Person?«, entfuhr es ihr ungläubig.
Akashiel lachte. »Nein, das war nur ein Scherz.«
Er konnte hören, wie sie nach Luft schnappte. »Wenn dein Dasein so vielen Regeln unterworfen ist, warum hast du dann gestern dagegen verstoßen und dich mir
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