Rebellion Der Engel
sagte es so ernsthaft, dass ich nicht anders konnte, als ihm zu glauben. Mom war eine gute Seele gewesen, dessen war ich mir sicher. Sie war dort oben.
»Es gibt verschiedene Ebenen des Himmels«, fuhr er fort. »Menschen und Engel haben ihre eigenen Bereiche und müssen einander niemals begegnen, sofern sie es nicht wünschen.«
Gespräche wie dieses führten wir in den kommenden Tagen häufiger. Ich hatte erwartet, dass ein Engel über Gott sprechen und versuchen würde, mich zur Rückkehr zum Glauben zu bewegen. Doch statt über den Chef, wie Akashiel ihn nannte, zu reden und zu versuchen, mich zu missionieren, sprachen wir über andere Dinge. Er interessierte sich für mein Leben und dafür, wie ich die Welt sah und was ich dachte. Anfangs ging ich persönlichen Fragen aus dem Weg, bis mir bewusst wurde, dass ich mit jemandem sprach, der über meine Vergangenheit Bescheid wusste. Moms Tod, meine Trauer und die darauf folgende Einsamkeit. Nur langsam begann ich zu begreifen, dass er damals wirklichbei mir gewesen sein musste – zumindest wollte ich glauben, dass er mir die Kraft gegeben hatte, mein Leben zu leben, statt in einer tiefen Depression zu versinken.
Obwohl seine Sprache zu unserer heutigen Zeit passte, war sein Weltbild an einigen Stellen reichlich veraltet. Vielleicht war es auch die Wunschvorstellung von einer perfekten Welt, die er in sich trug und die in dieser Form zu keiner Zeit existiert hatte. Menschen, die einander achteten und Rücksicht nahmen. Familien, in denen die Liebe an erster Stelle stand und nicht die Probleme des Alltags, Gier oder Zank. Sein Selbstverständnis war, dass der andere immer an erster Stelle kam – noch lange vor irgendwelchen materiellen Werten.
Vielleicht musste man als Schutzengel so denken. Mich würde es zerreißen, Menschen helfen zu müssen, die sich egoistisch, ignorant, gleichgültig oder gar grausam verhielten. Trotzdem gefiel mir Akashiels Einstellung.
Überhaupt musste ich zugeben, dass ich ihn mochte. Ich freute mich jedes Mal darauf, seine Stimme zu hören. Mittlerweile hatte ich auch gelernt, seine Anwesenheit zu spüren, und konnte sagen, wann er da war und wann nicht. Wenn er nicht bei mir war, ging ich meiner Arbeit nach, was mir erstaunlich leicht fiel.
Als es am Freitag Zeit für den Feierabend wurde, lagen drei Tage ohne Unfälle, Verfolger oder unerwünschte Eindringlinge hinter mir, was in mir die Hoffnung weckte, dass mein Leben endlich wieder in normalen Bahnen verlief – wenn man einmal von meinem Schutzengel absah. Gleichzeitig fragte ich mich, wie lange er noch bei mir bleiben würde, wenn es nichts mehr gab, wovor ich mich zu fürchten brauchte.
»Akashiel?«, fragte ich in die Stille meines Büros hinein.
Es dauerte keine zwei Sekunden, bis ich die Wärmespürte und wusste, dass er da war. »Wann ist deine Arbeit hier beendet?«
»Sobald ich weiß, dass du in Sicherheit bist.«
Wenn also niemand mehr hinter mir her war, keine weiteren Verankerungen aus der Wand brachen und sich dieser McCray nicht mehr blicken ließ, würde er weiterziehen und seine volle Aufmerksamkeit anderen Aufgaben zuwenden.
»Ich schätze«, sagte er und beinahe schien es mir, als hätte er meine Gedanken gelesen, »dass ich mir dessen wohl nie vollkommen sicher sein kann und besser auch weiterhin ein Auge auf dich habe. Solange du mich brauchst, werde ich da sein.«
Mir war nicht klar, wie er auf mehrere Leute gleichzeitig aufpassen wollte, ohne dass andere dabei zu kurz kamen, doch ich würde den Teufel tun und ihn darauf aufmerksam machen.
Ich dachte darüber nach, wie ich auf seine letzten Worte reagieren sollte, doch bevor ich zu einem Ergebnis kam, wurde mir bewusst, dass er nicht mehr da war. Einen Herzschlag später wurde die Tür geöffnet und Amber kam in mein Büro. Das erklärte seinen schnellen Abgang. Akashiel hatte es sich zur Gewohnheit gemacht sich zurückzuziehen, sobald jemand Kontakt zu mir suchte. Zu Beginn unserer Unterhaltungen, als er das noch nicht getan hatte, war es öfter vorgekommen, dass Amber, Jill, Pat oder Steve mich dabei erwischten, wie ich Selbstgespräche führte – glücklicherweise hatten sie nur meine, aber nicht Akashiels Stimme gehört –, und ich flüchtete mich jedes Mal in Ausreden, die selbst in meinen Ohren lächerlich klangen: ein von mir geschriebener Brief, den ich laut gelesen hatte, um mögliche Fehler zu entdecken, oder das Anschreiben eines Lieferanten, das ich wohl ebenfalls laut gelesen hatte,
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